Handwerk im Fokus – Vogt Instruments

10. Januar 2013, 13:27 Uhr,

Musik, Kunst, Design, Glanz, ganz viel handwerkliches Geschick und jede Menge Hingabe verbinden sich im Beruf des Instrumentenbauers.
Die Themenreihe „Handwerk im Fokus“ führt uns diesmal zu einem eben solchen, mitten rein nach Leipzig und zu Matthias Vogt.


Handwerk im Fokus – Vogt Instruments

Für dieses Jahr haben wir uns eine Menge vorgenommen. Der erste Beitrag ist gleichzeitig auch der Start unserer neuen Artikelreihe „Handwerk im Fokus“. Vorgestellt werden Menschen, Ihr Handwerk, was, warum und wie sie es ausüben/ leben. Freut Euch auf Einblicke von altehrwürdigen bis topmodernen Gewerken.

Loslegen wollen wir mit einem ausführlichen Portrait von „Vogt Instruments“. Aufmerksam wurden wir auf den Meisterbetrieb, vor allem aber auf Hr. Vogt selbst, auf dem „Tag des deutschen Handwerks“ im September 2012. Dem Beitrag folgten Telefonate und Ende letzten Jahres auch unser Besuch vor Ort, mit reichlich Gelegenheit für Fragen und Fotos.

Viel Spaß beim Lesen und Kommentieren.

 

Bereits vorab gut informiert zu sein, gehört dazu, wenn man ein Interview führen und gezielt Fragen stellen möchte. Dem entsprechend durchforstete ich ein wenig das Internet und stieß auf einige vielversprechende Ansatzpunkte. Passend vorbereitet und neugierig auf die Handwerker, die Menschen hinter „Vogt Instruments“ betraten Fotograf Thomas Kunert und ich das Ladengeschäft in der Zschocherschen Straße 28.

Lädt zum reinschauen ein...Vogt Instruments

Das schicke Geschäft zieht bereits von außen die Blicke auf sich. Gelegen direkt an einer geschäftigen Hauptstraße, unweit des Plagwitzer Stadtteil-Einkaufszentrums „Elster-Passage“, strömen hier jeden Tag viele Fußgänger vorbei. Mit Sicherheit verirrt sich aber auch der Blick so manches Autofahrers oder LVB-Fahrgasts hin zu den großen hell erleuchteten Fenstern. Was ist also das Besondere daran?  Ganz einfach, statt wie so viele andere Handwerker, das Ladengeschäft vorn und die Werkstatt hinten zu haben, dem Kunden also nur die fertigen Produkte zu präsentieren, geht man hier bewusst einen anderen Weg. Präsentationsfläche, Büro und auch die Arbeitsbereiche teilen sich einen gemeinsamen Raum. Während man also einerseits die auf Hochglanz polierten Instrumente bestaunen kann, sieht man andererseits auch wie diese hergestellt, repariert oder gepflegt werden. Man werkelt nicht hinter verschlossenen Türen, sondern lässt sich in die Karten schauen. Ob der großen Fenster kann man auch von außen „Voyeur“ spielen.

 

Genug geschaut, nun rein in den Laden.  

Matthias Vogt, der Inhaber, begrüßte uns sehr freundlich und während ich im bequemen Korbsessel Platz nahm, checkte Thomas bereits seine Kamera durch und fing an spannende Blickwinkel und glänzende Details auf Bild zu bannen. Wir plauschten ein wenig über dies und das, wobei sich das Gespräch sehr schnell und ganz von allein auf die Themenbereiche verlagerte, weshalb wir uns zusammensetzen wollten. Von Beginn an fiel mir auf, das ich es mit einer Person zu tun hatte, die nicht nur Geschäftsmann ist, sondern mindestens ebenso sehr Handwerker aus Berufung und Musiker aus Leidenschaft. Mit strahlenden Augen und viel Enthusiasmus sprachen wir über seinen Werdegang, den Aufbau des Geschäfts, Zukunftspläne uvm. Doch „der Reihe nach“.

 

Einmal um die ganze Welt

Am Anfang stand die Begeisterung für Musik. Gefördert von seinen Eltern lernte Matthias verschiedenste Instrumente (Blockflöte, Klarinette, Saxofon, Tuba) und absolvierte folgerichtig mit 14 Jahren sein erstes schulisches Praktikum beim Leipziger Instrumentenmacher Friedbert Syhre. Auch für alle weiteren Praktika und die Ferienarbeit blieb Matthias dem Musikhaus treu. Weil auch Hr. Syhre erkannte, mit wie viel Freude der junge Mann sich in das Handwerk einarbeitete, bot er Ihm schließlich eine Lehrstelle an. Im Jahre 2000 setzte er sich gegen alle anderen Lehrlinge durch und konnte den Titel „Handwerksjugendsieger“ erringen. Solch eine Auszeichnung ist nicht nur Anerkennung der eigenen Leistung, sondern war auch verbunden mit einem Stipendium für das Meisterstudium.

Der nächste Weg führte also nach Ludwigsburg. Um auch praxisnah weiter zu kommen, arbeitete Hr. Vogt parallel dazu bei der Schweizer Manufaktur „Hirsbrunner“, einem sehr renommierten Unternehmen, in dem seit 8 Generationen Tuben für Kunden aus aller Welt gebaut werden. Nach weiteren 3 Jahren konnte der Sachse seine eigenen Meisterstücke vorweisen, welche auf Musikmessen ausgestellt wurden und schnell Käufer fanden. Als frisch „gebackener“ Meister reiste er zu Kunden und Firmen u.a. in Deutschland, Ungarn, Frankreich, Italien und China. Dabei war von Familienbetrieben wie im Traditionsort Markneukirchen bis hin zu Fließbandarbeit und Massenproduktion im fernen Osten (1800 angestellte Montagearbeiter in 3 Hallen) alles dabei.

Wer viel reist hat nicht nur etwas zu erzählen, sondern kann sich auch durch die vielen unterschiedlichen Eindrücke selbst weiterentwickeln. Über die Zeit wuchs daher der Wunsch etwas Eigenes zu probieren, nicht nur guter Angestellter, sondern ein „Macher“ zu sein. Mehrere Monate bereitete sich Matthias auf seine Selbstständigkeit vor, kündigte nach 7 Jahren seine Stelle und verließ die Schweiz mit einem Ziel: Leipzig.

 

…und die Taschen voller Geld?

Warum Leipzig? Hier Ansässigen kann man diese Frage stellen und hört viele verschiedene Antworten und Beweggründe, die stets von Begeisterung in der Stimme getragen werden. Das ist auch bei Hr. Vogt nicht anders, der von Heimat spricht, zurück zu den eigenen künstlerischen und handwerklichen Wurzeln sollte es gehen. Zurück in eine Stadt, die wie kaum eine zweite für Musik steht, die verbunden ist mit Namen wie Bach, Schuhmann, Mendelssohn, Wagner, die mit Gewandhaus, Oper, Theatern, Orchestern oder auch dem Thomanerchor punkten kann. Leipzig ist auch eine Stadt, die neuen Ideen schon immer Raum und Gelegenheit zum Wachsen gegeben hat, in der man die Chance hat etwas zu erreichen. Natürlich spiel(t)en auch bereits bestehende Kontakte eine Rolle, Familie, Freunde, Wegbegleiter. Kein Wunder also, das Vogt Instruments seit mittlerweile 5 Jahren gerade in Leipzig seinen Sitz hat.

Der Anfang war bescheiden. Nachdem das passende Objekt gefunden war, mussten Werkbänke, Büromöbel, vor allem aber die kompletten Werkzeuge angeschafft werden. Instrumentenbauer kennen natürlich auch normale Hämmer, Feilen, Zangen, arbeiten aber viel und oft auch mit Spezialwerkzeugen, bei denen auch ein gebrauchter Satz  schnell einmal mit 20.000€ zu Buche schlägt. Wer sich schon einmal als Existenzgründer probiert hat oder den Weg in die Selbstständigkeit gegangen ist, kann sicher gut nachvollziehen, wie knapp und leer die Kasse in den ersten Monaten oftmals war.

Doch nach und nach gelang es sich als einer der Spezialisten für Blechinstrumente zu profilieren. Dabei setzt(e) Hr. Vogt auf einen cleveren Mix aus Mundpropaganda, der Gewinnung von Stammkunden aus Orchestern, interessierten „Laufkunden“, die sich vom Einblick in die Werkstatt „anlocken“ ließen und nicht zuletzt den Mitteln moderner Kommunikation. Wer im Internet nach Vogt Instruments oder noch allgemeiner Blechinstrumenten in Leipzig sucht wird schnell fündig und bei vielen Klicks auf die gelungene Webseite des Unternehmens geleitet.

Um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, machte man Nägel mit Köpfen, schuf sich ein Corporate Design und setzte auf ein hochwertiges Image. Dass dies nicht unbemerkt blieb zeigen die Auszeichnungen mit dem ugb-Gründerpreis 2008 und dem Sächsischen Website Award 2010. 

Mittlerweile hat er nicht nur Kunden aus der Region, sondern auch Berliner oder Norddeutsche kommen persönlich in den Laden, Musiker aus Schweden oder England bestellen bei Ihm, man arbeitet mit dem MDR und dem Gewandhaus  zusammen und während der sommerlichen Orchesterspielpause stapeln sich die reparatur- und pflegebedürftigen Instrumente.

 

Blick über die Schulter

Während der sympathische Leipziger von seiner Passion erzählte, arbeitet sein Mitarbeiter Hr. Dietze konzentriert an der Wiederherstellung einer vielbenutzten Trompete. Reinigen, schleifen, polieren, ausbeulen, ausprobieren, alles in Ruhe, mit sicherer Hand und dem Blick für Details. Seit anderthalb Jahren verstärkt der gelernte Feinmechaniker (der in seiner Freizeit selbst das Horn spielt) das Team von Vogt Instruments und kümmert sich vor allem um die Aufbereitung von Instrumenten. An seiner Person zeigt sich wieder einmal, dass man sich mit einer soliden handwerklichen Ausbildung auch in andere Metiers einarbeiten und darin sehr gut werden kann.

Wir nutzen jedenfalls die Gelegenheit einem solchen Handwerker über die Schulter zu schauen. Geduldig erklärte man uns die einzelnen Werkzeuge, wann welche zum Einsatz kommen, welche Arbeitsschritte notwendig sind, um aus einem Stück Blech eine Trompete oder Tuba zu erzeugen. Es war faszinierend zu sehen, wie aus einem unschönen arg ramponierten, verbeulten Objekt mit Fingerspitzengefühl und Erfahrung wieder ein glanzvolles Instrument wird.

Auch neue „Musizierapparate“ fertigt man in 1- 2 Wochen. Für einen Schalltrichter beispielsweise wird Flachblech mit einer Schablone ausgeschnitten, gefaltet, verzahnt, hart verlötet, geschmiedet, gerundet, aufgedehnt, der Rand abgestochen, umgebördelt, mit eingelegtem Draht verstärkt. Danach gebogen, geschliffen, auf Hochglanz gebracht. Und immer wieder kontrolliert, angepasst, überprüft. Schlussendlich prangt das Logo von Vogt Instruments auf dem goldfarbenen Metall. Wobei das klassische Gold kein Muss ist, sondern durch die Wahl der Legierung auch rötlicher oder weißer schimmern kann. Bei guter Pflege und jährlicher „Durchsicht“ leben die Tuben, Trompeten oder Posaunen dann 20, 30 oder mehr Jahre.

Instrumentenbauer ist ein wirklich abwechslungsreicher Beruf, bei dem man nicht stoisch die gleiche Tätigkeiten ausführt, sondern sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen kann. Man pflegt den engen Umgang mit Kunden, ob nun Schülern oder gestandenen Musikern, muss feinfühlig, aber auch mit gröberem Werkzeug zu Gange sein, kann restaurieren, musizieren und kreativ sein.

Die Werkstatt ist ein kompakter heller Bereich, die Wände gesäumt von ordentlich aufgereihten Modulen, stählernen Gebilden, Kugeln, Hämmern, Klammen, Zangen usw. aller Größenordnungen. Nicht nur weil man den Blick aufs eigene Handwerk zulässt, herrscht eine auffällige Ordnung und Sauberkeit. Alles wirkt durchdacht und an seinem Platz befindlich, die kurzen Griffwege ermöglichen ein effizientes Arbeiten.

An der Wand hängt immer noch die Risszeichnung des Gesellenstückes, klassisch und mühsam per Hand erstellt. Heutzutage werden neue Werkstücke nicht mehr auf diese Art, sondern via AutoCAD entworfen. Ein Verfahren, das Zeit spart und durch vielfältige Optionen glänzt. Großformatige Pläne findet man daher keine auf den Werktischen.

 

Auf in die Zukunft

Natürlich wollte ich auch wissen, wo man sich in 5 oder 10 Jahren sieht und welchen Zielen das noch junge Unternehmen folgt. Dazu verriet mir Hr. Vogt, dass er schon ein Weilchen an einigen Neukonstruktionen und Eigenentwicklungen arbeitet. Manchmal sind es Kleinteile, die man nachbilden muss oder auch das Ausprobieren neuer Legierungen, welche nicht nur die Optik, sondern auch den Klang verändern können. Auch die Korrosionsbeständigkeit und damit die Lebensdauer lassen sich derart beeinflussen. Gerade für Schüler oder Personen mit kleineren Händen oder kürzeren Armen sind manche dem Standard entsprechende Instrumente schwierig zu handhaben. Dafür möchte man kompaktere, handlichere Modelle entwickeln.

Als Ziel habe man sich auch gesetzt, noch mehr internationale Kunden zu finden und mit bekannten Musikern zusammen zu arbeiten. Irgendwann soll es auch einen Auszubildenden im Betrieb geben, aber momentan lässt das die Zeit nicht zu. Schließlich, so weiß es der Meister aus eigener Erfahrung, muss man sich Zeit nehmen und intensiv um den Lehrling kümmern können. Bei einem 2-Mann-Betrieb ein Unding.

Wir wären nicht der Seminar-Point-Blog, wenn wir nicht das Thema Bildung ansprechen würden. Auch hier stieß ich nicht nur auf offene Ohren, sondern auch konkrete Ideen. So möchte man in Bälde 2-3*/ Jahr kostenfreie Pflegeseminare für Instrumente durchführen, sich von Schulklassen oder Studenten aufs Handwerk schauen lassen und Schülern einen Praktikumsplatz bieten.

Auch die Idee eines e-Shops „irgendwann 2013/14“ steht noch im Raum. Es würde mich nicht wundern, wenn auch dieser nicht nur erfolgreich sondern auch preisgekrönt werden wird.

 

Vogt Instruments

Was erwartet also den Leser, wenn er den Weg nach Leipzig und ins Geschäft auf sich nimmt?

Sehr kompetente Ansprechpartner, die selbst Musiker sind und wissen worauf es ankommt. Eine große Auswahl an preisgekrönten Meister- und Sammlerstücken und vielen klangvollen und glänzenden Blechblasinstrumenten, egal ob gebraucht+ aufgefrischt oder ganz neu. Den Einblick in ein tolles, wenig bekanntes Handwerk und die Möglichkeit zu überprüfen, ob die vielen positiven Worte, die ich bis hierhin verloren habe, zu Recht geschrieben wurden.


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