Tag des Handwerks, Leipzig 2012

24. September 2012, 08:50 Uhr,

Das Handwerk: modern, abwechslungsreich, kommunikativ und immer wieder überraschend. Am bundesweiten Aktionstag konnte man sich von all dem selbst überzeugen. In Leipzig waren wir für Euch vor Ort.


Tag des Handwerks, Leipzig 2012

Wer hat sie noch nicht gesehen, die unterhaltsamen TV-Spots des deutschen Handwerks? Mit Kreativität und Witz wird deutlich gemacht, wofür das Handwerk steht und wie wichtig es für alle ist. Als Teil einer Deutschland umfassenden 5-jährigen Kampagne startete man 2010 u.a. auch damit, tausende großflächige Werbewände zu nutzen, um eine klare Botschaft im Bewusstsein unserer Bürger zu verankern: „Wo wären wir ohne das Handwerk?“. Auch jetzt zieren noch einige dieser kreativen Werbebotschaften manchen Plakataufsteller. Für den Herbst 2012 setzte man auf einen bundesweiten Aktionstag und lobte am 15. September den „Tag des Handwerks“ aus. An mehr als 50 Standorten luden die regionalen Handwerksbetriebe ein zum schauen, staunen, ausprobieren. Wir nutzten die Gelegenheit um auf dem Leipziger Augustusplatz mit der „Wirtschaftsmacht von nebenan“ ins Gespräch zu kommen.

 

Schon in den Spots und an allen anderen Standorten zeigten Politiker und Prominente Ihre Verbundenheit mit dem deutschen Handwerk. Auch Leipzigs Bürgermeister Herr Jung ließ sich nicht lange bitten und drehte eine Runde zwischen den Ständen. Erfreulicherweise hatte man dabei nicht den Eindruck einer Pflichtveranstaltung, sondern er zeigte echtes Interesse und lies sich Tipps als Heimwerker geben. Ähnlich gesprächsbereit wie gegenüber unserem Stadtoberhaupt zeigten sich die Gewerke auch bei uns. Man spürte wie wichtig Ihnen der Dialog war, der Stolz auf das eigene Gewerk, aber auch der Wunsch auf Probleme aufmerksam machen zu können.

 

 

Vor Ort hatten sich Meister und Gesellen in typischer „Kluft“ an etwa 25 Ständen versammelt und zeigten Werkzeuge, Arbeitsbeispiele, Ergebnisse Ihrer Handwerkskunst etc.. Dabei gab es einen breiten Mix an Gewerken, bei denen uns vor allem die etwas unbekannteren reizten.

 

Unter dem Slogan „BE BLACK“ stellten die schwarzen Glücksbringer Ihren traditionsreichen Beruf vor. So erfuhren wir nicht nur, dass Schornsteinfeger über die Hälfte der Zeit eben nicht auf den Dächern verbringen, sondern eine starke technische Komponente zunehmend wichtiger wird. Inbetriebnahmen, Wartungsaufgaben, technische Prüfungen usw. machen einen Großteil der Arbeit aus. Viele Anlangen müssen regelmäßig gecheckt werden, eine Tatsache, die wie vieles aus dem Berufsbild kaum bekannt ist. Vielleicht weil das Wissen so gering ist, und man die Schornsteinfeger gedanklich immer nur mit qualmendem Essen und Schmutz in Verbindung bringt, hat dieses Handwerk einen besonders großen Mangel an Nachwuchs. Mittlerweile geht man soweit, Informationsveranstaltungen an Schulen anzubieten, diese regelrecht „abzuklappern“, um dem Bedarf Herr zu werden. Wenn man hört, dass in den nächsten 3 Jahren 30% der Meister in den Ruhestand wechseln werden, ahnt man, wie prekär die Lage wirklich ist. Dabei bietet die Schornsteinfegerlehre ungeahnte Vielfältigkeit, nach Abschluss den gesicherten Arbeitsplatz und während der Lehre modernste Schulungsbedingungen. Letzteres kann ich so überzeugt in den Raum stellen, weil ich an der Entstehung des Schulungszentrums in Doberschütz – damals noch als Handwerker – selbst beteiligt war.

 

Das Glaserhandwerk demonstrierte einige Stände weiter, dass sich der anstrengende Beruf im Wandel befindet. Neben klassischem Fenster- und Fassadenglas sind Arbeiten mit Bunt- und Bleiglas und natürlich die Glasmalerei auch für kreative Menschen interessant. Jeder der wollte, konnte den Fachmännern zusehen oder selbst versuchen ein kleines Bleiglasfensterchen zu gestalten.  Ein gutes Beispiel für die vielfältigen Aufgaben zeigt z.B. die Leipziger Glaserei Gärlich auf Ihrer Webseite.

 

Instrumentenbauer ist ein Beruf, den sicher kaum Jemand kennt. Um eben dies zu ändern und ihr faszinierendes Handwerk zu zeigen, hatte sich auch Vogt Instruments einen Stand gesichert. Das Gewerk mag alt sein und schon lange bestehen, doch die Firma zeigt sich frisch, modern und in allem am Puls der Zeit. So kann Matthias Vogt auf langjährige Auslands- und Werkstatterfahrungen, diverse Auszeichnungen, Gründerpreis oder sogar einen Website Award verweisen. Wenn man den Instrumentenbauern zuhört spürt man Ihre Leidenschaft, die Begeisterung für Präzisionsarbeit und die Liebe zur Musik.

 

Das Cafehaus Flemming zeigte große Konditorenkunst live am Stand. Die Leckereien verführten nicht nur zum Zusehen, sondern auch zum Verkosten. Echt unglaublich, was hier mit viel Liebe aus Zucker, Schokolade und Marzipan geschaffen wird. Obermeister Ulli Flemming ist 3. Deutscher Meister und wenn man uns fragt, zu Recht! Wer bei ihm lernt, da sind wir sicher, wird eines Tages ebenfalls ein Meister werden. Alle anderen lassen es sich einfach schmecken!

 

Uhrmachermeister oder besser Ihre Werke begleiten jeden von uns tagein, tagaus. Während die Armbanduhr immer mehr vom stets griffbereiten Smartphone verdrängt wird, so sind es doch all die anderen vielen Uhren, die uns mit Gebimmel, Glockenschlägen oder auch ganz unaufdringlich an die Zeit erinnern. Turmuhren, Bahnhofsuhren, Digitalanzeigen, Großuhren und Zeitmessgeräte aller Epochen umgeben uns und wollen gewartet, repariert, oder neu konstruiert werden. Dies ist das Arbeitsfeld der UhrenTechnik Peter Schnabel, dessen ebenso Uhren-begeisterte Frau in Naunhof, südlich Leipzigs ein Turmuhrenmuseum und Cafe betreibt. Ihr Mann ist Preisträger (von denen sich wirklich viele an diesem Tag auf dem Augustusplatz fanden) und eines seiner ungewöhnlichen Meisterstücke findet man im Herzen der Messestadt.

 

 

Ein weiteres unentbehrliches Handwerk, welches früher ausschließlich von Männern (Barbier) ausgeübt wurde, präsentierte, gewohnt cool, modern und frech, der Friseurmeister Mario Geistert. Gemeinsam mit seinem Team stylte und frisierte er nicht nur Modells sondern auch Neugierige. Mit dem Anlass durchaus angemessenem Tamtam präsentierte er auch seine neue Frisurenkollektion „Mario 12.2“. Schön, dass hier nicht nur gute Handwerksarbeit, sondern vor allem kein Standard, stattdessen Mut zu Neuem geboten wird. Die vielen Modells, egal ob Damen oder Herren, zogen viele Blicke (auch die unsrigen) an.

 

Immer wieder Thema war auch die Europäische Messe für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung, die „denkmal“. Ende November wird man dort viele der auch am Tag des Handwerks vertretenen Firmen wiedertreffen, denn zur Erhaltung und Verschönerung schützenswerter Bauten arbeiten viele Gewerke Hand in Hand.

 

Fazit: Der Aktionstag am 15. September war in unseren Augen ein großer Erfolg. Besucher bekamen eine guten Einblick in die verschiedenen Berufe, probierten sich aus und lernten sicher auch so einiges dazu. Nicht verhehlen möchten wir jedoch, nochmals auf den Fachkräftemangel hinzuweisen. Warum? Weil es Not tut! Weil sich zu wenig Jugendliche für einen Handwerksberuf entscheiden, weil alte Gewerke Probleme haben, ihren Wissensschatz zu übermitteln und ihre Traditionen aufrechtzuerhalten. Ihr seid am überlegen, was Ihr werden wollt? Werdet Handwerker!


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