Handwerk im Focus – Röskant

15. November 2013, 09:24 Uhr,

Mit seiner Liebe zu natürlichen Rohstoffen, einer guten Nase, feinem Geschmackssinn und spürbarer Freude am Umgang mit Kunden& Kaffeeliebhabern ist er ganz sicher bestens ausgestattet, um sein Handwerk auszuüben. Franko Lehmann, Leipziger Röstmeister per excellence. Wir stellen Ihn, seinen Betrieb und sein Gewerk in unserer Reihe „Handwerk im Fokus“ vor.


Handwerk im Focus – Röskant

Auch im dritten Teil der Serie bleiben wir der Idee treu, ein eher seltenes Handwerk vorzustellen. Erneut wurden wir in Leipzig fündig und stießen eher durch Zufall und Empfehlung auf die Kaffeerösterei und Ihren Besitzer. Im Folgenden gibt es also viel Lesenswertes über der Deutschen liebstes Getränk.

„Ich will einfach nur guten Kaffee produzieren.“

Ein schlichtes, leicht zu verstehendes Motto ist es, nach dem Röster Lehmann arbeitet. Und genauso ist auch Franko selbst, bodenständig& kommunikativ, ein Mann der den Umgang mit Rohstoffen liebt, Freude am Produktionsprozess hat und auf charmante Weise seine Kundschaft und auch uns zu unterhalten weiß. Neuen Ideen gegenüber stets aufgeschlossen, war er gern bereit sich interviewen und über die Schulter schauen zu lassen. Wir nutzten einen schönen Sonnentag für unseren Besuch und während sich Thomas wie stets um beste Fotos kümmerte, „entlockte“ ich Ihm einige interessante Informationen.

 

Riskant?

Hr. Lehmann ist gelernter Koch und arbeitete lange Zeit in einem Ferienheim in Oberwiesenthal. Zu DDR-Zeiten war es schwer an vernünftige Rohstoffe und besonders hochwertige oder seltene Lebensmittel zu kommen. Die Arbeit mit diesen machte Ihm aber besondere Freude, ein Umstand, der Ihn später wieder zurück zu den Rohstoffen führen sollte. Nach der Wende gab es keine FDGB Ferienanlagen mehr, ergo entscheid er sich dazu, einen weiteren Berufsabschluss zu machen und künftig als Bankkaufmann, vor allem im Kundendienst unterwegs zu sein. In diesen Jahren roch er immer mal wieder in Röstereien rein, sprach 2011 eine Rosenheimer Firma an und arbeitete als Praktikant auch in einem Dresdner Unternehmen. Seinen Röstmeister machte er schließlich in Berlin. Leipzig kam,  nicht nur wegen der eigenen Herkunft, als logischer Standort für die eigene Selbstständigkeit in Frage. Die Stadt an Weißer Elster und Pleiße war schon immer ein Zentrum der Kaffeekultur und zeitweise befanden sich hier 30 Röstereien. Nach einem fast völligen Aussterben dieses Handwerks, zählt man mittlerweile wieder 4 Betriebe, von denen Röskant einer ist. Unterstützung erfährt Franko dabei von Kai und Guido, welche sich aber beide (noch?) nicht Vollzeit dem Kaffee widmen.

 

Röskant!

Die Laufkundschaft kommt aus der Umgebung, Schüler, Studenten, Angestellte kaufen Kaffee (auch „To Go“), Tee und Eis. Geöffnet hat man zwischen 13-18 Uhr, aber man trifft Franko fast immer in seinem Betrieb an. Vormittags geht er seinen eigentlichen Beruf nach, verarbeitet den Kaffee, ordert neuen, ist unterwegs bei Lieferanten, Kooperationspartnern, Abnehmern wie Leipziger Cafés. Seit kurzem kann man eine Auswahl seiner Produkte auch beim HIT Markt in Leipzig erwerben, ein „Massenproduzent“ oder eine weitere Discountmarke möchte er aber keineswegs werden.
Die Rösterei selbst ist in einem ehemaligen und heute unter Denkmalschutz stehenden Fabrikgelände untergekommen. Der leuchtend gelbe Klinkerbau überrascht den Besucher direkt nach dem Eintreten mit einer architektonischen Besonderheit. Vielen wird für den ersten Moment nicht klar, dass sie sich gerade über einem großen, mehr als 3m durchmessenden Brunnenschacht aufhalten, welcher mit dickem Sicherheitsglas betretbar gemacht, aber als Blickfang erhalten wurde. Besonders gut zur Geltung kommt dieser, sobald die Lampen im Schacht dessen Tiefe erahnen lassen. Fürs Candlelight-Dinner genau der richtige, romantische Platz, aber auch ein frisch gebrühter Kaffee lässt sich am Tisch oder dem Tresenbereich bestens genießen. Hinter diesem erstreckt sich die eigentliche Rösterei, welche von vielen Säcken Naturkaffee und einem PROBAT-Trommelröster beherrscht wird.

Weil der Raum sehr hoch und licht ist, blieb genug Platz für eine Galerie, welche nicht nur einem großen Eichentisch samt 10m Stühlen Platz bietet, sondern in der Tat ihrem Namen nach genutzt wird. Aller 4 Monate findet eine Vernissage statt und das Thema der ausgestellten Grafiken, Fotos oder Gemälde wechselt. Neben den Ausstellungen finden auch Kaffee- und Weinseminare statt. Natürlich kann man die Räumlichkeiten auch mieten. So sitzt man während eines Vereinstreffens oder Meetings bequem und kann sich, bestens versorgt, anstehenden Themen widmen.

 

„Volksgetränk“ Kaffee

144 Liter verbraucht jeder Deutsche im Jahr. Rechnet man die Kinder und Nichtkaffeetrinker raus, so ergeben sich eine stolze Anzahl Tassen/ Tag. Vom Luxusprodukt und sonntäglichen Genussmittel hat es der Kaffee in unserem Land bis zur Selbstverständlichkeit, zum Alltagsgetränk geschafft. Weltweit größter Produzent ist Brasilien, dicht gefolgt nach Vietnam. Dazu gesellen sich u.a. Äthiopien, Bolivien, Guatemala, Nikaragua, Peru und Indien. Die Bohnen bringen also einen langen Weg vom Produzenten bis zum Röster hinter sich. Meist geschieht dies per Schiff in Jutesäcken, so wie traditionell schon seit hunderten von Jahren. In Deutschland dient Hamburg als der Umschlagplatz für die wertvolle Fracht. Vom dortigen Kontor Rehm& Co bezieht auch Röskant seine Rohstoffe. Angebaut werden heutzutage rund 90 Sorten, am beliebtesten sind davon in unseren Breiten „Arabica“ und „Robusta“, wobei ersterer besonders geschmacksintensiv ist, der zweite preiswert produziert werden kann. Kaffeepflanzen tragen ab etwa 5 Jahren Früchte und garantieren hernach für 15+ Jahre einen guten Ertrag. Wird mit Hand geerntet so lässt man die Bohnen wenn möglich nur bis zu einer Höhe von 3m wachsen, um leichter ernten zu können.

Röskant bietet zur Zeit 9 Sorten, vor allem aus dem „Mittelfeld“ an, zu billige Ware möchte man aus nachvollziehbaren Gründen nicht verarbeiten, zu seltene oder teure Bohnen finden kaum Interessenten. Dennoch ist Franko stets bemüht neue Produkte zu testen, unterstützt nachhaltigen Anbau und Fair-Trade-Waren.

Die artreinen Bohnen wandern hernach in die auf 200°C vorgeheizte Trommel des Trommelrösters. Der Vorgang ist abhängig von Sorte und gewünschtem Ergebnis. Dunklere Bohnen schmecken intensiv-kräftig, hellere (kürzer geröstete) stattdessen mild-„fruchtig“. Die Abkühlung erfolgt langsam auf einem Kühlsieb, wobei man das Röstgut die ganze Zeit langsam wälzen muss, um u.a. ein Verbiegen der Lochbleche zu verhindern. Hernach werden die Bohnen mit einer speziellen Maschine „entsteint“, wobei sich oft auch die verschiedensten Körner, Samen und Steinchen wiederfinden. Die artreinen Bohnen müssen nun in druckdicht verschlossenen Behältern mindestens 12 Std. ruhen. In dieser Zeit entfaltet sich erst der typische Kaffeeduft und -geschmack und aufgenommene Röstgase können zum großen Teil entweichen. Espresso kann noch am selben Tag, Filterkaffee am nächsten verarbeitet, sprich abgefüllt und versiegelt werden.

 

Genussvielfalt

Auch Teeliebhaber werden in der Rösterei fündig, 20 Sorten stehen als Alternative zum Kaffee parat. Um die verschiedensten Sinne, Geschmäcker und Genussliebhaber anzusprechen, suchte man nach geeigneten, ergänzenden Produkten und Kooperationspartnern. Beispielsweise arbeitet man mit „Jaques Weindepot“ zusammen und kann eine kleine aber feine Auswahl an typisch Meißner Weinen anbieten. Wer es eher süß mag, greift sicher (so wie wir auch) zu den Köstlichkeiten der Sächsischen Schokoladenmanufaktur, welche in Dresden beheimatet ist. Weitere Confiserieprodukte und hausgemachtes (Bio)Eis aus Leipzig ergänzen die Palette. Für die Zukunft möchte man noch mehr Spezialitäten anbieten und alles „Ergänzende“ soweit möglich durch regionale Produkte abdecken.

 

„Selbst zu produzieren macht Riesenspaß!“

Seitdem in den 70’er Jahren die letzten Kaffeeröster in Deutschland ausgebildet wurden, gab es für mehrere Jahrzehnte keinen Nachwuchs mehr. Erst seit kurzem setzt ein Umdenken ein und langsam wächst sowohl die Zahl der Fachkräfte als auch die der Röstereien. Will man in dieser Branche tätig werden, sind Vorkenntnisse aus anderen Bereichen und artverwandte Berufsabschlüsse sehr nützlich. Koch, Bäcker, Fleischer oder handwerkliche „Grundberufe“ stellen die passende Basis dar. Mit einer Ausbildung allein ist es aber nicht getan. Sensorik-Seminare helfen die Geruchs- und Geschmackssinne zu verfeinern und schärfen, regelmäßige Kostproben und das Wissen um aktuelle (agrar)technische Methoden und Sorten gehören ebenso zum Berufsbild. Bis zu 3 Jahre kann es dauern, bis man ein, nein das richtige Gefühl fürs Rösten entwickelt hat. Erfahrung ist eben durch nichts zu ersetzen.

Fazit: Röskant ist eine ungewöhnliche Mischung aus Handwerksbetrieb, Cafe und Veranstaltungsort. Man kann gemütlich sein Tässchen trinkend den Entstehungsprozessen zusehen, allerlei Leckereien kaufen und über Kaffeesorten und das passende Konfekt fachsimpeln, als Kunstliebhaber die aktuelle Ausstellung betrachtend am Wein nippen oder Seminare, Lesungen, Vernissagen und Shootings beiwohnen. Wer Interesse an gutem Kaffe oder eben einem seltenen Berufsbild hat, sollte den Weg zu Röskant nicht scheuen. Viel Spaß beim schauen und genießen!


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