Aus „Hoffmanns Erzählungen“ der Schachfreunde FORTUNA Leipzig e.V.

5. April 2019, 11:33 Uhr,

Steffen Hoffmann berichtet vom AGM-Schachturnier des Schachfreunde FORTUNA Leipzig e.V. am 26. Januar 2019.


Aus „Hoffmanns Erzählungen“ der Schachfreunde FORTUNA Leipzig e.V.

Als Zuschauer beim AGM-Turnier

„Sag’ nicht dieses Wort“, bat Inge, „denn damit mag ich auch gleich die Sache nicht!“ Im
Englischen ließ sie es aber schon mal durchgehen. Gut, diesmal würde ich bei unserem AGM-Turnier
also nur „zuschauen“ statt mitspielen.

Das Glück spielte mit und half am 26. Januar den tüchtigen Organisatoren Heidi Werner, Olaf
Dening und Johannes Steltzer am Ende auch, indem das Turnier und sein Sponsor Klaus-Peter
Egelkraut ein echtes Endspiel zwischen den Spielern, die sich einen Punkt vom Feld abgesetzt
hatten, erleben durften! Hannes Langrock – Christoph Natsidis, Leipzig 2019: 1.d4 Sf6 2.c4
c5 3.d5 b5 4.Dc2 Sa6 5.a3 e6. Gespielt wurde hier auch schon 5.… Da5+ 6.Ld2 Sb4 7.Dc1
bxc4. 6.e4 bxc4. Erster Teilerfolg für Weiß. Im Wolga-Gambit möchte er stets gern das
Schwarze schlagen auf c4 herausfordern. 7.Lxc4 exd5 8.exd5 Sc7 9.Sc3 d6 10.Sge2 Le7
11.b4 0–0 12.0–0 Lg4. In der Partie Schachryar Mamedjarow – Pawel Tregubow, Ajacco
2000, erlangte Schwarz nach 12…. Sd7 13.bxc5 dxc5 14.Lf4 Sb6 15.La2 nie vollen
Ausgleich und verlor nach 32 Zügen. Besser erging es ihm in Wadim Malachatko – Sergej
Kasparow, Pawlowgrad 2000, mit 12…. Tb8 13.bxc5 dxc5 14.Td1 Ld6, Remis nach 22 Zügen.
13.Sg3 Tb8 14.bxc5 dxc5 15.h3 Lc8 16.Td1 Sce8 17.Le3 Sd6 18.Lf1 Lb7 19.Da4. Möglich
war 19.Lxc5 Tc8 20.Lxa7 Sxd5 21.Ld4 Sxc3 22.Lxc3 Lf6 23.Lxf6, doch Langrock wollte
keine Aufregung und Hektik. 19.… Sd7 20.Tab1 f5 Weiß hatte hier noch 11, Schwarz keine
5 Minuten mehr. 20.Sge2 g5. Kann man tadeln, doch wem wäre ein Springer auf e6
willkommen? 21.f4 h6 22.Sg3 Dc7 24.Sh5 Sf6 Vielleicht war La8 noch zu versuchen.
25.Sxf6+ Lxf6.
Schach_1
26.Sb5! Sxb5 27.Lxb5 Tbd8 28.Lc6 Lxc6 29.dxc6 De7. Hoffnungslos wäre auch 29.… Ld4
30.Lxd4 cxd4 31.fxg5 hxg5 32.Tb7 De5 33.Dc4+ Kh8 34.c7. 30.Dc4+ Df7 31.Dxc5 Tc8
32.Tbc1 Tfe8 33.Lf2 Ld8 34.Td7 De6 35.Dxa7 und Schwarz, dem auch die Zeit fast ganz
herunter gelaufen war, gab sich geschlagen. Mit dieser Partie gewann Hannes Langrock
letztlich noch verdient das Turnier! Denn kritisch für ihn hatte es in der dritten Runde
ausgesehen, als ihn das taktische Versehen eines anderen Turnierfavoriten aus höchster Not
rettete. Sören Bär – Hannes Langrock, Leipzig 2019: 1.Sf3 d5 2.g3 Lg4 3.Lg2 Sd7 4.d4 Sgf6
5.Sbd2 e6 6.0–0 Ld6 7.Te1 0–0 8.e4 dxe4 9.Sxe4 Sxe4 10.Txe4 Sf6 11.Te1. Weiß kommt in
dieser Variante mit Vorteil aus der Eröffnung. 11.… c6. Auch beim Damentausch nach 11.…
c5 12.dxc5 Lxc5 13.Dxd8 Tfxd8 (Alexej Schirow schlug neulich mit dem anderen Turm
zurück, was diesen immerhin aus der langen weißen Diagonale nahm) 14.Se5 Tab8 15.Lf4
nahm Weiß in der Partie Tomasz Markowski – Dusko Pavasovic, Cannes 1997, Vorteil ins
Endspiel mit und gewann nach 96 Zügen. 12.c3 h6 13.Db3 Dc7 14.Se5 Lf5 15.Sc4 b5?! Die
Neuerung zur Partie Henrik Danielsen – Grigori Oparin, Marienbad 2010, welche 15.… Le7
16.Lf4 Dd7 und einen weißen Sieg nach 55 Zügen sah. 16.Sxd6 Dxd6 17.Lf4 Dd7 18.a4 a6
19.axb5 axb5 20.Ta3!? Eine andere Idee war 20.Db4, um die Dame auf das optimale Feld c5
zu bringen. 20.… Sd5 21.Ld2 Sb6 22.Txa8 Txa8 23.h4 Ta4 24.Lf4 Sc4 25.Lf3 Dc8 26.Kg2
Da6 27.g4 Lh7. Ein „Vorteil“ dieses Zugs gegenüber 27.… Lg6 ist es, dass er den Weißen mit
Grundreihe-Mattbildern blendet. 28.g5 hxg5 29.hxg5 Sa5?
Schach_2
30.Txe6? Vom Grundreihenmatt genarrt! Nach einfach 30.Dd1 steht Weiß überlegen, z.B.
30.… Ta2 31.d5! oder 30.… Sc4 31.Th1 Ta2 32.Dg1 Lg6 33.Dh2 Kf8 34.b3.! 30.… Dc8
Auch 30.… Da8 widerlegte den Turmeinschlag. 31.Txc6 Dxc6 32.Dxa4 Dxf3+ Aus dem
Duell der Zwischenzüge geht Schwarz mit einer Mehrfigur hervor. 33.Kxf3 bxa4 34.d5 Sc4
35.Lc1 Kf8 36.Kf4 Ke7 und Weiß gab auf. Und für Christoph Natsidis, der in der vorletzten
Runde Alex Nguyen in einem Zeitnotduell bezwungen hatte, war es etwas Pech, in der
Entscheidungspartie Schwarz zu haben. Noch eine Runde vorher bremste er einen weiteren
Spieler in der Spitzengruppe, Robert Stein – Christoph Natsidis, Leipzig 2019: 1.d4 Sf6 2.Sf3
c5 3.c4 cxd4 4.Sxd4 e6 5.Sc3 d5 Häufig geht es hier stattdessen mit 5.… Lb4 6.g3 weiter.
6.cxd5 Sxd5 7.e4? Bürdet sich lediglich Bauernschwächen auf, 7.Ld2 ist der meistgespielte
Zug. 7.… Sxc3 8.bxc3 e5 9.Sb5 a6 10.Dxd8+ Kxd8 11.Sa3 Le6 12.Sc4 Sd7 13.Ld2 Lc5
14.Se3
Schach_3
14.… Lxe3! Kurz und bündig! Das weiße Läuferpaar ist nicht stark als Verteidigungspaar.
15.Lxe3 Tc8 16.Ld2 Sc5 17.f3 Sa4 18.Tc1 b5 19.a3 Ke7 20.Ld3 Thd8 21.Ke2 Sb2 22.Lc2
Sc4 23.Le3 Sxe3 24.Kxe3 Txc3+ 25.Ke2 Tdc8 26.Kd2 Txa3 27.Ta1 Td8+ und Weiß gab
auf. Außer Langrock blieben Lothar Vogt und Ferenc Langheinrich ohne Niederlage. Der
Großmeister gab gegen Gerhard Engel in der 1. und gegen Christian Klaus in der 4. Runde
halbe Punkte ab. Würde er in der 6. Runde etwas für einen Turniersieg riskieren? Lothar Vogt
– Ferenc Langheinrich, Leipzig 2019: 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Le3 c6 5.Dd2 b5 6.Ld3 h5
7.h3 b4 8.Sce2 a5 9.Sf3 La6 10.0–0 Lxd3 11.Dxd3 Lg7 12.Tad1 0–0 13.Sg3 Sa6 14.Lg5
Sc7 15.De3 Sh7 16.Lh6 e6 17.Lxg7 Kxg7 18.c4 De7 19.Tfe1 Tfd8 20.e5 d5 21.cxd5 Sxd5
22.Dc1 a4!? Lädt Weiß zu einem Bauernraub ein. 23.Se4 Nach 23.Dxc6 käme Schwarz an
die c-Linie, z.B.: 23.… Tdc8 24.Db5 a3 25.Td2 b3 26.axb3 a2 27.Ta1 Db4. 23.… a3 24.b3
Tac8 25.Sfd2 Sg5 26.Sxg5 Dxg5 27.Se4 Dxc1 28.Txc1
Schach_4
28…. Sc3 Routiniert! 29.Sxc3 bxc3 30.Txc3 Txd4 31.Tec1 Te4 32.Kf1 Txe5 33.Txc6 Td8
34.T6c2 g5 remis. Konnte Jens Hirneise vielleicht nicht zufrieden mit dem 3. Platz im Turnier
sein, durfte er sich doch über die gelungene Partie der 4. Runde freuen. Jens Hirneise – Robin
Jacobi, Leipzig 2019: 1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 Sc6 5.Dd2 Sf6 6.f3 e5 7.d5 Se7 8.0–
0–0 h6 Unterbindet auf Kosten der Entwicklung jegliche weiße Angriffe am Königsflügel.
Bei 8.… 0-0 9.Lh6 hätte Schwarz einen schweren Stand. 9.h4 Sd7 10.h5 g5 11.g4 Riegelt
seinerseits hier ab und spielt dort. 11.… a6 12.Sge2 b5 13.Sg3 Sb6 14.Ld3 b4 15.Sce2 a5
Schach_5
16.Kb1! Die c-Linie lässt sich für beide Seiten öffnen, vorteilhaft allerdings nur für den viel
besser entwickelten Weißen, dessen Springer den anderen Flügel dabei ganz allein kontrolliert.
16.… Ld7 17.c4! bxc3 18.Sxc3 Db8 19.Tc1 c5 20.dxc6 Lxc6 21.Lb5 Lxb5 22.Sxb5
Sc4 23.Txc4 Dxb5 24.Tc7 Td8 25.Thc1 Lf6 26.Ta7 Sc6 27.Tc7 Sb4 28.a3 Sd3 29.Td1 Tb8
30.Tc2 Sc5 31.Sf5 0–0 32.Sxd6 Natürlich war auch 32.Sxh6+ Kh7 33.Sf5 möglich, doch mit
33.… Se6 behielte Schwarz dann vorerst noch mehr aktive Figuren. 32.… Sb3 33.Sxb5
Sxd2+ 34.Tdxd2 Txb5 35.Td6 Lg7 36.Tb6 Tb8 37.Tc8+ Txc8 38.Txb5 und Weiß gewann
nach einigen Zügen.
Lothar Becker hatte seine Partie der ersten Runde schnell gewonnen gehabt, als ich ihn in
„Kibizer’s Corner“ fand und ihm vom Drama der Erstrundenpartie unseres jungen Fortunen
Jacob berichtete. Nachwuchsspieler sollten ihre Partien grundsätzlich mit 1.e2-e4 eröffnen,
sagte er. Ja, nur damit bekäme man die Stellungen zum Erlernen der elementaren Techniken.
Denn Jacob hatte nicht mit 1.e2-e4, sondern mit seiner von Trainer Joachim Hollstein
abgeschauten Lieblingsspielweise eröffnet. Als wollte Lothar sein Argument damit noch
bekräftigen, lieferte er in der 2. Runde eine entsprechende Fehlleistung ab! Lothar Becker –
Andreas Peters, Leipzig 2019: 1.e4 e6 2.Sf3 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.d4 c5 6.dxc5 Lxc5
7.Ld3 Sc6 8.Lf4 f6 9.exf6 Sxf6 10.0–0 0–0 11.Se5 Se4 Demaskiert den Turm.
Schach_6
12.Se2? Lothar führte sofort, nachdem er aufgegeben hatte, den richtigen Zug 12.Lxe4! mit
den für ihn günstigen Varianten a) 12.… dxe4 13.Dxd8 Sxd8 14.Sxe4 Ld4 15.Tad1 Lxb2
16.Sc4 und b) 12.… Txf4 13.Sd3 Lxf2 14.Sxf2 dxe4 15.Dxd8 Sxd8 16.Sfxe4 an. 12.…Sxf2
13.Txf2 Lxf2+ Weiß gab auf, denn er büßt eine Qualität ein. Und hier das besagte Drama,
Jacob Thalwitzer – Daniel Platz, Leipzig 2019: 1.d4 d5 2.e3 Sf6 3.f4 Der Stonewall im Anzug
hat schon so manchen überrascht, nicht weniger das Leningrader im Anzug 1.g3 d5 2.f4. 3.…
Lf5 4.Sf3 e6 5.Ld3 Lxd3 6.Dxd3 c6 7.Sbd2 Sbd7 8.0–0 Ld6 9.Se5 0–0 10.c3 c5 11.Tb1 c4
12.Dc2 b5 13.b3 Tb8?(!) Offenbar ein Übersehen, wie die Gestik von Daniel Platz verriet.
Immerhin verschwindet der (für ihn) unschöne Springer vom Brett. (Diagramm nächste Seite)
14.Sc6 Dc7 15.Sxb8 Txb8 16.b4 Jacob möchte „hinter verschlossener Tür“ die Kräfte in
Ruhe neu koordinieren, 16.bxc4 war einfacher. 16.… Sb6 17.Sf3 Vielleicht konnte man die
Umgruppierung auch mit 17.Dd1 (mit der Idee g2-g4-g5 und dann Sf3) beginnen. 17.… Se4
18.Se5 f6 19.Sf3 g5 20.fxg5 Im genau richtigen Augenblick hätte hier 20.Sd2 gepasst.
Schach_7
20.…fxg5 21.Sd2? Nach 21.g3 war für Weiß noch alles in Ordnung. 21.… Lxh2+ 22.Kh1
Sg3+ 23.Kxh2 Sxf1+ 24.Kg1 Sxe3 25.Db2 Sa4 26.Da1 Dg3 27.Sf3 Dxg2 matt.

Einst mag Jacob als gestandener Spieler vielleicht wieder einmal zur Überraschung seines Gegners den
Stonewall ausgepackt und eine schöne Partie gewonnen haben. Und wird sagen: „Ja der
Stonewall, meine alte Liebe!“

Autor: Steffen Hoffmann
(Schachfreunde FORTUNA Leipzig e.V. )


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