Medienwerkstatt Leipzig

7. Juli 2015, 13:08 Uhr,

Parallel zum täglichen Umgang mit Smartphones und der Nutzung sozialer Netzwerke gilt es auch notwendiges Wissen über Konsumverhalten, Datenschutz und verantwortungsvollen Umgang mit modernen Medien und Kommunikationswegen zu vermitteln. Die Leipziger Medienwerkstatt unterstützt aktiv Kinder und Jugendliche in ihrer Medienkompetenz.


Medienwerkstatt Leipzig

Fast nicht mehr erwähnenswert, weil schon selbstverständlich, ist das Faktum, dass die Lebens- und Freizeitgestaltung der Jugendlichen sich in den letzten Jahren rasant gewandelt hat. Wichtige Bereiche wie Sozialkontakte und Freundschaften sind mittlerweile allesamt digital geprägt. Umso wichtiger werden Bildungsangebote, die beim Gebrauch der „Medialisierung“ helfen. In der Medienwerkstatt Leipzig, beheimatet im Soziokulturellen Zentrum „Die Villa“, wird genau das getan. Eine Reportage von Mathias Schulze.

Seit 1998 wird jährlich eine Basisstudie zum Umgang von 12- bis 19-Jährigen mit Medien und Information durchgeführt: Die „JIM-Studie“ vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest hat dabei herausgestellt, dass 2013 96 Prozent der Befragten ein eigenes Handy und 72 Prozent über ein Smartphone verfügen. Der damit verbundene Internetanschluss, „Whats-App“ und eine steigende Gebrauchstendenz müssen heute kaum noch erwähnt werden. Dabei sorgt die neue Technik nicht nur für eine grenzenlose Vernetzung und Erreichbarkeit, sondern sie gilt auch, gerade in der Phase der Jugend, als ein Versprechen auf Individualität. Das Handy dient nicht nur als Fotoapparat, als Kalender, Speicher- und Kontaktmedium, sondern auch als Musikabspielgerät.

Viele Eltern stehen dabei vor Fragen und Unsicherheiten. Sorgt die Medialisierung für ein Aufmerksamkeitsdefizit? Haben wir es hier mit einem natürlichen Feind des Geistes zu tun? Muss man den Umgang des Kindes damit reglementieren? Und wenn ja: Wie?

Beraten, planen, herstellen: Über die Schulter geblickt in der Medienwerkstatt Leipzig

Genau hier kann die Medienwerkstatt Leipzig, die es seit 1991 gibt, helfen. Birgit Czeschka, gelernte Diplom-Pädagogin, ist neben Beate Nemeth eine von zwei Festangestellten. Die Medienpädagogin erläutert: „Die Medienwerkstatt ist nur ein Projekt der „LeISA GmbH“, die gleichsam der inhaltliche Träger des Soziokulturellen Zentrums „Die Villa“ ist. In der „Villa“ gibt es viele Überschneidungen, aber die verschiedenen Bereiche arbeiten selbstständig.“

Es sind Kinder, Jugendliche und junge Menschen zwischen 8 und 26 Jahren, die in der Medienwerkstatt, immer auf ein bestimmtes Projekt bezogen, hinter die Kulissen schauen dürfen. Wer einmal den Produktionsprozess und die Gestaltungsmöglichkeiten von Medien erkundet hat, schärft seinen Blick als Konsument derselben. Die Devise lautet: Raus aus dem passiven Verhalten, hin zum selbstbewussten Umgang und zum eigenen Erschaffen. Dabei spielt die Begegnung auf Augenhöhe eine zentrale Rolle, Czeschka erklärt: „Die Kinder wachsen mit der neuen Technik auf, sie haben deswegen schon ein vertrautes Verhältnis dazu. Wir möchten ihnen aber zeigen, wie sie diese Medien kreativ nutzen können.“

Wie die Bilder laufen lernen: Trickfilmproduktion in der MedienwerkstattJeder Trickfilm braucht auch einen Sound

Reflexion, Bewusstsein, Handhabe und kein Verbot, Czeschka erzählt: „Ganz grundlegend sollte man die Digitalisierung auf keinen Fall verteufeln, sondern vielmehr müssen sich alle fragen, wie man sie für sich nutzen möchte. Sobald man Kindern etwas verbietet, wird es für sie interessanter. Vielmehr sollte man erklären können, warum etwas schön ist. Und auch, warum nicht.“

Produktion verstehen, Medienkonsum begreifen

Ein Pool von ungefähr zehn Leuten, einige im Ehrenamt, einige im Praktikum, einige auf Honorarbasis, hilft dabei. Im Angebot gibt es Kurse und Workshops, die ein bis fünf Tage dauern, diverse Projekte ab zwei Stunden aufwärts, wöchentliche Kurse und Ferienangebote. Neben den Social-Media-Schulungen gibt es HTML-Kurse, werden eigene Trickfilm produziert oder auch Schwarz-Weiß-Fotografien hergestellt. „Medien sind nur Mittler. Das ist wichtig, denn bei allen Möglichkeiten steht doch auch die Frage im Vordergrund, ob man überhaupt etwas mitzuteilen hat. Die Gruppen bearbeiten immer ihr Thema, die Arbeiten haben immer ein definiertes Ziel, der Fokus ist immer die Projektarbeit der Gruppe.“, betont Czeschka.

Medienkompetenz wird in Leipzig vermittelt

Die Arbeit ist eine Kleingruppenarbeit, zwischen sechs bis acht Personen nehmen daran teil. So bleibt Zeit, um neben dem technischen Handwerk auch das Individuelle in den Fokus zu rücken und zwischenmenschliche Gruppenprozesse sensibel zu beachten. Ohne Förderung durch das Jugendamt Leipzig und weitere Drittmittelprojekte wäre das aber gar nicht möglich. Dennoch fehlen Mittel, um beispielsweise auch auf dem aktuellen technischen Stand zu sein.

Ein wöchentlicher Filmklub, Foto AG’s, Grafik- und Computeranimationskurse und das Projekt „Integrative Foto-AG für junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen“, ab Ende November 2014 präsentierte die Ausstellung „Nach dem Auslösen“ die Arbeiten der letzten Jahre, runden das noch weitaus reichhaltigere Angebot ab. Zudem stehen in der Medienwerkstatt mehrere Rechner, digitale Schnittplätze und ein Fotolabor zur Nutzung bereit. Die Zusammenarbeiten mit Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, aber auch die Gestaltung von Elternabenden dürfen ebenfalls nicht verschwiegen werden. Czeschka kennt die sozialen Schranken, die sich freilich auch beim Umgang mit den Medien zeigen oder gar manifestieren können: „Wir versuchen schon die anzusprechen, die nicht so gut ausgestattet sind.“

Die Gruppen dürfen nicht zu groß sein, auch zwischenmenschlich sind die Medienpädagogen gefordertSpielend wird der kreativen Umgang mit der Technik erlernt

Czeschka selbst fährt regelmäßig auf Tagungen und Weiterbildungen. Die Sachfragen kreisen vor allem um Partizipation: Kann die neue Technik wirklich mehr Demokratie gewährleisten? Kann sie ernsthaft Hierarchien abbauen? Wie sieht es mit Urheberrechten im Internet aus? In ihrem Zukunftswunsch formuliert die Medienpädagogin auch eine kleine Kritik: „Die Schulen kommen meist erst dann, wenn etwas passiert ist, zum Beispiel bei Vorfällen von Cybermobbing. Ich würde mir wünschen, dass Medienkompetenz-Unterricht an den Schulen fest verankert wird. Oft habe ich das Gefühl, dass uns Anerkennung mancherorts fehlt.“ Und das entgegen aller Faktizität. Bevor jemand über die neue Techniken ins Grübeln gerät, sei ihm daher die Medienwerkstatt Leipzig als kompetenter Ansprechpartner empfohlen.

Mehr Informationen und Kursangebote unter: www.medienwerkstatt-leipzig.de

Die Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest sind hier nachzulesen: www.mpfs.de


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