Regional unterwegs – Die Neuenburg – Auf ins Museum

15. Dezember 2013, 09:34 Uhr,

Die Neuenburg liegt hoch über der Unstrut, Weinberge und das Freyburg überblickend. Wir waren 2 Tage zu Gast und möchten in Euch mit den folgenden 2 Artikel die Entdeckerlust wecken.


Regional unterwegs – Die Neuenburg – Auf ins Museum

Kurz vor Jahresschluss möchten wir Ihnen noch einmal ein ganz besonderes Ausflugsziel vorstellen. In Mitteldeutschland finden sich viele historische Baudenkmäler, Stätten jahrhundertealter Kulturgeschichte und wunderschöne Landschaften. An manchen Orten kommt all dies in einzigartiger Form zusammen und wird damit für Jedermann zum beliebten Ausflugsziel. Freyburg an der Unstrut ist solch ein Ort. Hoch über dem idyllischen Städtchen thront die Neuenburg, während entlang des Flusses Weinberg neben Weinberg liegt. Und kulturell wird einem hier ebenfalls sehr viel geboten, denn nicht umsonst bewirbt sich die Saale-Unstrut-Region, mit Naumburg als Zentrum um den Status als Weltkulturerbe.

Anfang des Jahres trat der „Förderverein zur Rettung und Erhaltung der Neuenburg e.V.“ in Form seines Vorsitzenden René Matthes an uns mit dem Wunsch heran, das Objekt Ihrer Arbeit vorstellen zu lassen und für ein wenig mehr Bekanntheit zu sorgen.

Als idealen Besuchszeitpunkt wählten wir das vorletzte Juniwochenende aus. Die „Internationalen Tage der mittelalterlichen Musik“ auch als „montalbâne“ bekannt, wurden zum 23. Mal veranstaltet, eine Gelegenheit, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollten. Um mit Vereinsmitgliedern und Verantwortlichen zu sprechen, die verschiedenen Ausstellungen zu betrachten, die Burg zu erkunden und etwas vom Festival zu erleben, würde ein Tag allein keinesfalls ausreichend sein, das war uns klar. Also planten wir gleich eine Übernachtung mit ein, Zeit genug um allen Themen gerecht zu werden.

Praktischerweise findet man auf dem Gelände der Neuenburg nicht nur diverse Museen und gastronomische Einrichtungen, sondern in Gestalt des Jägerhauses auch eine ganz besondere Unterkunft vor. Eine der beiden Ferienwohnungen würde uns zur Verfügung stehen, eine nette Geste, die wir dankend annahmen. Damit war alles geklärt und uns blieb erst einmal nur die Vorfreude wachsen zu lassen.


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Anreise

Nach Freyburg zu kommen ist nicht schwer. Mit dem Auto dauert es von Leipzig aus eine gute Stunde, wobei ich nur empfehlen kann, nicht die kürzeste Route zu wählen, sondern soweit möglich entlang der großen Flüsse zu fahren und bereits auf dem Hinweg die Landschaft zu genießen. Wir nutzten die Deutsche Bahn und stiegen in Weißenfels und Naumburg jeweils von einer in die nächste Regionalbahn. Dummerweise verlängerte die verspätete Ankunft in Naumburg unsere Reisedauer gleich um eine ganze Stunde, denn unser Anschluss war gerade weg.

Wie der Zufall es will, warteten wir nicht allein, sondern teilten mit einem jungen Freyburger die Minuten und lernten gleich einiges über die Region, bekamen Ausflugstipps und Einkehrempfehlungen. Auch das bis vor kurzem noch wütende Hochwasser war Thema. Wie könnte es auch nicht, waren die Auswirkungen doch noch sehr präsent und längst nicht alle Schäden beseitigt. Auch wenn die Unstrut nicht im Fokus der Berichterstattungen gestanden hatte, so hatten die Wassermassen in den Ortschaften längs des Flusses – wie anderswo auch – ganze Arbeit geleistet.

Weiter ging es mit der gelb-grauen Burgenlandbahn. Deren kleine Niederflurwagen sind überraschend geräumig und haben neben einem Fahrscheinautomaten auch wirklich auskunftsfreudiges nettes Personal an Bord. Alsbald konnten wir wieder von Bord gehen, verabschiedeten uns von unserer Reisebekanntschaft und hatten auch optisch sofort unser Ziel vor Augen.

Die Unstrut überquerend, bogen wir rechts in die 2. Straße, passend Schloßstraße genannt, ab. Dort findet man u.a. auch das Turn- und Sportmuseum „Friedrich Ludwig Jahn“, welches sich dem Wirken des „Deutschen Turnvaters“ widmet. Bald wird aus der Straße mehr ein Weg, welcher sich – Geländer-gesichert und beleuchtet – bergauf windet. Selbst mit Gepäck sind die Höhenmeter kein Problem und nicht zu vergleichen mit den steilen Aufstiegen wie man sie im Elbsandsteingebirge findet. Nach einer Biegung hat man wieder freie Sicht aufs Tal der Unstrut, kann unterhalb der Ringmauer eine kurze Rast einlegen oder gleich weiter ins Burginnere vordringen.

 

Die Neuenburg

Etwa ab 1090 begann man mit dem Errichten der ersten Ringmauern. Lange Zeit war es die wichtigste Burg der Landgrafen von Thüringen aus dem Geschlecht der Ludowinger. Später gelangte sie in sächsischen Besitz und erfuhr einige Umbauten. Die Anlage besteht auch heute noch aus Kern- und Vorburg, fast alle Wohnbauten, Torgebäude und die Doppelkapelle sind erhalten. Von ehemals 3 Bergfrieden findet sich jedoch nur noch einer, „Dicker Wilhelm“ genannt. Schlossbau und Küchenmeisterei, Wohnturm und diverse Nebengebäude bieten Platz für Museen, Verwaltung, Kinderkemenate, Gastronomie und Veranstaltungsräume. Die großen Höfe hingegen werden gern für Vereinsfeste und Aktionstage genutzt. Eine Zeitlang veranstaltete man auch Ritterspiele. In der Vorburg und den Wirtschaftsbereichen findet alljährlich ein Domänenmarkt statt, stets unter einem anderen Motto und mit regionaler Prägung. Es gibt also viel zu entdecken und genau daran machten wir uns auch.

 

Museumsrundgang

Nach dem Verstauen des Gepäcks und einer Begrüßungsrunde wandten wir uns erst einmal den Ausstellungen zu.

Das Weinmuseum entpuppte sich als großzügiges mittelalterliches Tonnengewölbe und prima Ort um sich im Sommer abzukühlen oder im Winter hinter dicken Mauern im Warmen zu sitzen. Die Decke ist mit Stahlträgern untermauert und wird mit Dämpfern abgefangen. Auf den ersten Blick fällt diese Sicherungsmaßnahme aber kaum auf, dafür sorgen gebogene Formen und dekoratives (künstliches) Weinlaub. Ausgestellt werden Weingläser, Kelche, Flaschen und Trinkgefäße aller Art. Erklärende Tafeln und Bilder lassen kaum Fragen offen. Eine ganze Reihe Infotafeln beschäftigen sich mit den seltenen Riesenfässern, wie der Herkulestonne (ehemals auf der Festung Königstein). Seit 1998 widmet man sich hier dem Thema Wein und zeigt auch Weinpressen, Fässer, Prunkbutten und eine Doppelspindel-Weinkelter von 1584. Regelmäßig finden Weinproben statt und auch sonst eignet sich diese Örtlichkeit unserer Meinung nach bestens für Veranstaltungen wie Lesungen und kleinere Konzerte, denn das Gewölbe verströmt Gemütlichkeit pur.

Die Kinderkemenate ist weniger Ausstellung als vielmehr lebendiges Mittelalter. Zum Leben erweckt wird der Bereich von der Museologin Elen Keindorff, welche sich seit 2012 mit viel Hingabe darum kümmert, Sagen und Geschichten der Thüringer Landgrafen zu vermitteln. Auch wenn dieses Angebot vor allem von Kinder(gruppen) wahrgenommen wird, so bindet man doch auch die Erwachsenen mit ein, lässt alle Anwesenden in Rollen schlüpfen und z.B. im Thronsaal Mittelalter spielend erleben. Die Räume hier sind besonders lichtdurchflutet, gemütlich, mit breiten Fensterbänken und Blick ins Tal. Bei vielen Dekorationen, Kostümen, Schilden, Waffen, Büchern etc. handelt es sich um Sachspenden. Träger dieses Bereiches ist „Arbeit und Leben Thüringen e.V., eine anerkannte Bildungseinrichtung. Wem es innen dennoch zu eng wird, findet vor der Kemenate Beschäftigung. Eine Handvoll mittelalterliche Spiele (Wurfspiel, Torspiel, Schiebebrett, Holzpferdtjosten u.a.) stehen jedem Besucher offen und werden auch gern von den Erwachsenen getestet. Wir hatten ebenfalls eine Menge Spaß damit.

Burg und Herrschaft“ ist der Name der weitläufigsten Ausstellung, welche sich über mehrere Türme, Flügel und  Etagen erstreckt. Man beginnt den Rundgang in der Doppelkapelle, welche 2 übereinanderliegende Andachtsräume enthält. Neben Baugeschichte und Historie der Region und der hier ansässigen Herrschaftshäuser, erfährt man viel über die damalige Wohnkultur, das Fürstenleben und wohl einzigartig, die Geschichte der Latrinen. In den Erdgeschossen durchquert man ehemalige Vorratskammern, Gesindestube und Küche, kann Essbesteckweißheiten lesen, Ausstellungen von Keramik betrachten und im Keller wechselnde Ausstellung von Künstlern bewundern. Eine Etage höher sieht man die erste Warmluftheizung der Welt, feingearbeitete Modelle der Burg, Exponate freischaffender Künstler und den Latrinenturm mit Regenwasserspülung. Am Aborterker mussten wir über die witzigen Sprüchlein der Sammlung „Bedenkenswertes für davor, danach und zwischendurch“ schmunzeln. Das Turmgeschoß zeigt Lebensräume in der Neuenburg von Renaissance bis Barock. Zum Beispiel die rauchfrei beheizbare luxuriöse Bohlenstube aus dem 15. Jahrhundert. Besonders prunkvoll bietet sich der Fürstensaal dar, welcher zugleich auch der größte alle Räume ist und unübersehbar der Präsentation von Macht und Reichtum diente. Riesige Gemälde, verspielte Sitzmöbel und massive Schränke gibt es zu sehen.

Wunderwerk Taschenuhr ist in den ehemaligen Wohnräumen des Schlossherren angesiedelt. Man zeigt Räderuhrwerke (lesen Sie dazu auch folgenden Beitrag), Wanduhren, Telleruhren, Reiseuhren, Damen- und Herrentaschenuhren. Die einzelnen Stücke sind oftmals Unikate, sehr aufwendig gestaltet und aus glänzendem Gold. In einem kleinen Vorführraum läuft eine Dokumentation „Geschichte der Zeitmessung“, welche in 20min von den Ursprüngen bis heutzutage alles abdeckt. Wussten Sie z.B., dass erst ab 1700 die Zeit sekundengenau gemessen werden konnte, während der Französischen Revolution versucht wurde die Dezimalzeit (100sek = 1min, 100min = 1std, 10std = 1Tag) einzuführen, erst ab 1893 mittels internationaler Übereinkunft eine Zonenzeit eingeführt wurde, während man bis dahin nach der wahren Ortszeit (welche sich am Sonnenstand orientiert) lebte? Ab 1930 setzte sich die Armbanduhr weltweit durch und ist bis heut für Frauen und Männer gleichermaßen nützliches und kleidsames Accessoires. Alle gezeigten Stücke stammen im Übrigen aus einer privaten Sammlung, welche komplett dem Museum gespendet wurde, unter der Auflage diese der Öffentlichkeit in der Neuenburg zugänglich zu machen.

Soviel zum ersten Teil. In der Fortsetzung lest Ihr viel über „montalbâne“, die Vereinsarbeit und auch der Dicke Wilhelm kommt nicht zu kurz. Und nun viel Spaß beim kommentieren 🙂


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