Handwerk im Fokus – Uhrentechnik Schnabel

31. Mai 2013, 15:18 Uhr,

Schwindelfrei sollte man sein, kreativ und handwerklich begabt. Turmuhrenbauer kommen hoch hinaus und arbeiten in einem sehr abwechslungsreichen Beruf.
„Handwerk im Fokus“ stellt einen Meister seines Fach, Peter Schnabel aus Naunhof vor.


Handwerk im Fokus – Uhrentechnik Schnabel

Im Januar eröffneten wir unsere neue Reihe „Handwerk im Fokus“ mit Vogt Instruments. Weil dieser Beitrag sehr gut angenommen wurde, möchten wir Euch heute einen weiteren Teil präsentieren. Diesmal haben wir uns dem Thema Zeit gewidmet, oder besser gesagt einem Mann, der sich zeitlebens damit befasst hat, Uhren am Laufen und Glocken am Schlagen zu halten. Auch Meister Schnabel trafen wir auf dem „Tag des deutschen Handwerks“, nahmen im Nachgang Kontakt zu Ihm auf und trafen uns im Frühling in Naunhof im Turmuhrenmuseum.


Nur 5 Minuten vom Naunhofer Bahnhof und rund 100 Meter vom Markplatz der Kleinstadt entfernt, befindet sich das auch überregional sehr bekannte Turmuhrenmuseum. Da unser Gesprächspartner nicht nur Unternehmer, sondern auch Gründungsmitglied des gleichnamigen gemeinnützigen Vereins und Betreibers eben jenes Museums ist, verabredeten wir uns folgerichtig in der Ungibauerstraße 1.

Dort wurden wir bereits erwartet, freundlich begrüßt und in das kleine Museumscafe gebeten. Gemütlich gemeinsam am Tisch (und im Warmen) sitzend, zogen zu allererst die vielen uns umgebenden Uhren in ihren Bann. Natürlich hatten wir Uhren erwartet, aber eben keine Wand-, Stand- oder Kaminuhren, wie man sie daheim sein Eigen nennen könnte. Die Aufklärung erfolgte prompt, handelt es sich doch bei den Uhren allesamt um Schenkungen von Besuchern, Förderern oder Interessierten. Mittlerweile möchte man aber nichts Derartiges mehr annehmen, da die Wände dicht bestückt und der Platz somit ausgereizt ist. Nach etwas Smalltalk rutschten wir fast übergangslos ins Interview und ich ließ mir vom Werdegang Peter Schnabels, seiner Firma und dem Beruf des Turmuhrenbauers erzählen.

 

Der Meister

Peter Schnabel ist Jahrgang 1940, mittlerweile also 73 und gehört weder optisch, noch vom dem wie er sich gibt, wie aktiv er ist, zum „alten Eisen“. Im Gegenteil, wir erlebten einen Mann, der auch noch nach über 50 Jahren mitten im Leben und in seiner Werkstatt steht, Kunden besucht, seinem Uhrenhobby während der Arbeit und auch in der Freizeit nachgeht. Sich zu bewegen, aktiv zu sein, hält eben wahrhaftig fit.

1956 begann er seine Lehre beim seit 1808 bestehenden und somit Deutschlands ältesten Turmuhrenhersteller VEB Spezialuhren Leipzig (früher und auch heute wieder bekannt als Bernhard Zachariä [GMBH]). Leitende Positionen im Betrieb lehnte er stets ab, nutze aber 1992 die Chance sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig zu machen. Seine Firma, Uhren Technik Peter Schnabel e.K. fand Ihren Standort in Klinga, nur 3km entfernt auf einem ehemaligen LPG. Zeitweise beschäftigte man 12 Mitarbeiter, betreib Baustellen bundesweit und wirkte auch im Ausland an seltenen Zeitmessern mit. Da steigende Lohnkosten einer der Kostenfaktoren im Handwerk sind, tritt man mittlerweile etwas ruhiger und bald steht auch die Übernahme des Geschäfts an den Schwiegersohn an. Sicher ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass das eigene Unternehmen weitergeführt wird.

2008 erhielt er den Denkmalpflegepreis der Handwerkskammer zu Leipzig in Gold und nach einem seiner schönsten Erlebnisse als Handwerker gefragt, erzählte er mir ebenfalls etwas zum Thema Denkmalpflege. Nach dem Jahrhundertwasser an Elbe und Mulde 2002, restaurierte er das aus dem 16. Jahrhundert stammende Uhrwerk der Polbitzer Kirchturmuhr (bei Torgau). Nach der Wiederinbetriebnahme kam ein 80jähriger Einwohner zu Ihm, der sich sehr emotional und glücklich dafür bedankte, denn wie sich herausstellte, war es das erste Mal in seinem Leben, dass er die Uhr in Funktion erleben konnte.

Um sein Handwerk und Können vorzustellen, präsent zu sein, ist die Uhren Technik Schnabel regelmäßig Aussteller auf der Mitteldeutschen Handwerksmesse, mit der HWK auf Messen in Frankreich oder Österreich unterwegs. Ein wichtiges Standbein sind Betreuungsverträge, u.a. für die Naunhofer Schule, das Bad Dübener Rathaus oder auch die beliebten Glockenmänner auf dem Koch-Hochhaus am Leipziger Augustusplatz. Am schönsten sind aber verständlicherweise Sonderanfertigungen wie Glockenspiele bei dem man mit Musikern zusammenarbeitet um die richtigen Töne zu treffen. Ein ganz besonderes Gesamtkunstwerk entstand als Auftrag von Bilfinger&Berger im Specks Hof. Die Vorgabe war mit „Konstruieren Sie uns mal einen optischen Hingucker.“, bewusst wage gehalten und eine Chance etwas völlig Neues zu probieren. Die entscheidende Idee kam ihm während eines Auslandsaufenthalts und Kirchenbesuchs, bei dem ein Sonnenstrahl auf Bodenfließen traf. Ursprünglich wollte er diesen Effekt mit einem Laserstrahl von oben simulieren, welcher auf ein Bodenziffernblatt treffen würde. Alternativ hätte man auch mit unterschiedlich großen Wasserdüsen in einer Art Springbrunnenuhr arbeiten können. Schlussendlich entschied er sich jedoch für eine Kombination aus gemauerter Klinkersäule, die eine chinesische Wassersprungschale trägt und ein unsichtbares Uhrwerk enthält. Die Zeit wird mit 2 Lasern, minütlich und stündlich auf den farbigen Ziffernblattringen aus Bronzeguss angezeigt. Ein Gesamtkunstwerk, das viel Aufmerksamkeit und Lob erzielte. Jedem, der durch die Leipziger Innenstadt schlendert, empfehle ich den Weg durch die Passage des Hansa-Hauses.

Herr Schnabel ist ein Mann, der weiß, wovon er spricht, sein Handwerk von der Pieke auf lernte und wohl schon jede Art von Turm- oder mechanischer Uhr unter seinen Fittichen hatte. „Nebenher“ war er im Stadtrat tätig, als Innungsmeister aktiv, gab und gibt Vorträge über Turmuhren an der Berufsschule in Glashütte und engagiert sich sehr stark für das Museum. Während des Gespräches erlebte ich Ihn als Person mit klaren Grundsätzen und Ansichten, mit klarem Ziel vor Augen, risikobereit und dennoch bodenständig. Wenn man Ihm zuhört spürt man die  Begeisterung für das eigene Tun, seine Freude am Geschaffenen, an Dingen die bestand haben. Damit ist er ein klassisches und gutes Beispiel dafür, wie Handwerker sein sollten. Sein ganzes Berufsleben lang arbeitet er nach der Devise: „Man muss dem Kunden auch noch nach einem Jahr in die Augen schauen können.“ Ein Motto, welches sich einige Unternehmen zu Herzen nehmen sollten.

 

Der Beruf

Turmuhrenbauer gibt es eher wenige. Es ist ein eher seltenes Handwerk, was bereits darin begründet liegt, dass heutzutage nur wenige neue Uhrwerke gebaut bzw. benötigt werden. Abgesehen von Sonderanfertigungen, betreut man meist vorhandene Uhrwerke, erhält, repariert und pflegt Kirch- und Radhausturmuhren, Zeitmesser an Schulgebäuden, Universitäten o.ä. Das Handwerk selbst entstand wie die ersten Räderuhren Anfang des 13. Jahrhunderts, als sich Feinschmiede auf den Turmuhrenbau spezialisierten. Schmieden gehört auch heute noch dazu. Wenn man 400 Jahre alte Turmuhren betreut, müssen öfter auch Teile ersetzt oder ganz neu angefertigt werden. So werden z.B. die unabdingbaren Zahnräder im Feuer als Ring geschmiedet, befeilt und alle Zähne einzeln eingesetzt und angeschmiedet. Dabei sind Präzision und Qualität gefragt, Werte an die sich Turmuhrenbauer wohl schon immer hielten, wenn man sich vor Augen hält, dass deren Meisterwerke seit dem Einbau ohne Unterbrechung laufen. Kein Vergleich mit der heutigen Auffassung von Beständig- oder Haltbarkeit, gerade bei industriellen Erzeugnissen.

In der Werkstatt wird man mit dem Bedienen von Bohr-, Fräs- und Drehmaschinen, dem Sägen, Schweißen und Malen konfrontiert. Auch Kenntnisse im Vergolden und Elektrotechnik/ Elektronik sind von Nöten und werden gelehrt. Turmuhrenbauer sind Experten der Metallbearbeitung und nicht umsonst erweisen sich Werkzeugmacher und Feinmechaniker beim „Quereinstieg“ als sehr gut für dieses Handwerk geeignet. Uhrwerke, Zeiger, Ziffernblätter, Abdeckungen, Verkleidungen, all das und mehr entsteht (wieder). Kreativ muss man sein, vorrausschauend und selbstständig arbeiten können und natürlich keine Angst davor haben, dreckig zu werden. Die pflegebedürftigen Räderwerke füllen den wenigen Platz in engen Turmspitzen und manchmal erreicht man nur mit vielen Verbiegungen und Kriecherei die entscheidenden Punkte. Da die Uhren oftmals mit dem Glockenwerk verbunden sind, ist auch deren Erhaltung und Ansteuerung Teil des täglichen Arbeitsprozesses. Geht es darum Ziffernblätter zu restaurieren, dann wird schwere Technik benötigt, denn 2*2m oder gar 4*4m Dimensionen sind keine Seltenheit.

 

Das Museum

Zurück aus der Werkstatt stand nun die Besichtigung des Museums selbst an. Aus der leerstehenden ehemaligen Mädchenschule, einem Fachwerkgebäude mit Anbau von 1837, entstand durch Um- und Anbauten, sowie komplette Sanierung eine moderne Ausstellungsfläche für alle Arten von Turmuhren, Haupt- und Nebenuhren oder auch eher ungewöhnliche Zeitmesser (z.B. Konstatier- oder auch Taubenuhren, Stechuhren, Glasenuhren, Tages- oder 8 Tagesuhren), die der Sammlung geschenkt und somit ebenfalls präsentiert werden. Den größten Raum widmet man aber selbstredend Räderwerken und Glockenläutanlagen. Neben den eigentlichen Gerätschaften finden sich viele Bild- und Erklärungstafeln.

Angefangen hat alles mit Uhren, die gerettet und vor der Verschrottung im Keller gelagert wurden. Nach Besuchen bei Uhrenfreunden in den alten Bundesländern und Besichtigung deren Sammlungen, kam die Idee auf, die gesammelten Werke ebenfalls auszustellen. Frau Schnabel brachte die Idee einer Vereinsgründung an und schnell fanden sich weitere Mitstreiter. Der Turmuhrenmuseum Naunhof e.V. hat heute 15 Mitglieder, „querbeet“ wie man so schön sagt, geeint durch Ihre Begeisterung für Zeitmesser. Zuerst kam man im ehemaligen Wasserturm, einem der ersten Spannbetonbauten überhaupt, unter. 1995 konnte man in die etwas großzügigeren Räumlichkeiten umsiedeln und bietet Besuchern neben mehr Objekten nun auch einen behindertengerechten Zugang, sanitäre Einrichtungen und das bereits erwähnte Cafe an. Wer möchte kann sich zu Führungen anmelden, und bekommt dann wie wir Wissenswertes und Anekdoten vom Fachmann zu hören.

Das Museum erfreut sich einem stetig wachsenden Zuspruch, regional, deutschland- und sogar europaweit. Unter den 3000 Besuchern 2012 kann man z.B. auch auf die finnische Uhrmacherinnung und viele Kollegen treffen. Im Mai feiert man mit gern Bigband und Leckereien vom Grill, auch eine Museumsnacht wird regelmäßig veranstaltet. Wen Uhren und deren Technik von alt bis neu, von groß bis klein interessieren, der sollte den kleinen Abstecher von der A14 „auf sich nehmen“. Vielleicht weckt der Besuch das Interesse sich als Hobby oder auch beruflich mit Uhrentechnik zu beschäftigen. Wir wünschen auf jeden Fall viel Spaß dabei.


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