Theaterwissenschaften = nein, Danke?!

17. Februar 2014, 15:07 Uhr,

Nachdem wir erst letztens über Wert und Wichtigkeit von theatralischer Bildung gesprochen haben, zeigt die Politik wie wenig sie doch davon hält. Die Empörung ist allerorten groß. Für uns war Mathias Schulze am Schauspiel Leipzig und nahm Stimmung und Stimmen auf.


Theaterwissenschaften = nein, Danke?!

Dem Institut für Theaterwissenschaft Leipzig droht, ebenso wie der hiesigen Archäologie, das Aus. Am 7. Februar fand im Schauspiel Leipzig eine Solidaritätsveranstaltung statt. Entsprechend waren die Kommentare. Die Theaterszene, die Stadt, die vielfältigen internationalen Kooperationspartner und ein Prorektor der Universität Leipzig, Professor Thomas Lenk, bekundeten ihre Unterstützung. Über vieles wird in Zukunft diskutiert werden, einig war man sich jedoch darüber, dass auf der Bühne Reflexionsprozesse stimuliert werden.

Arrangiert war es wie ein Theaterstück, tosenden Applaus gab es jedoch bereits schon zu Beginn. Im vollbesetzten Saal des Schauspiel Leipzig betraten die Lehrstuhlinhaber des Instituts für Theaterwissenschaft, namentlich Professor Heeg, Professorin Baumbach und Professor Primavesi, die Bühne. Sofort erklärten sie: „Die Landesregierung Sachsen hat mit 2,7 Milliarden Euro Garantien für die Beinahe-Pleite der Sachsen LB übernommen. Wir wollen dafür nicht zur Kasse gebeten werden.“

Schon am 2. März 2010 hat die Staatsregierung Stelleneinsparungen an den sächsischen Hochschulen festgelegt. Bis 2020 sollen 1042 Planstellen gestrichen werden. Schrittweise soll das erfolgen, das Institut für Theaterwissenschaft ist nur eins von vielen Opfern. Professor Lenk, Prorektor für Entwicklung und Transfer der Uni Leipzig, äußerte sich am 6. Februar in der Leipziger Volkszeitung („Wir sind nicht die, die den Sargnagel einschlagen.“) und erklärte im Schauspiel: „Das, was wir jetzt erleben, ist nur die Spitze des Eisberges. Es werden noch weitere Fächer eingespart werden. Wir fordern von der Landesregierung einen Paradigmenwechsel.“ Die damaligen Prognosen, die Studentenzahlen betreffend, sollen nicht mehr stimmen. Lenk spricht von 45 Prozent mehr Studenten als 2010 angenommen, der Sparkurs wird aber bisher weiter fortgeführt.

Den Vertreter der Theaterwissenschaft ist die Solidarität mit dem Institut der klassischen Archäologie ebenso wichtig, wie ihr eigenes Überleben. Weiterhin wollte die Veranstaltung Debatten entfachen. Und zwar vor allem auch mit den Politikern: Was sind die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Sparpolitik? Wie viel Ökonomisierung hält eine humane Gesellschaft aus? Das Theater der Jungen Welt und das freie Theater LOFFT, welches in Gestalt des Geschäftsführers Dirk Förster eine „Offenlegung des Profils der Universität“ forderte, kündigten bereits entsprechende Veranstaltungen an. Auf der Buchmesse, am 13. und 14. März, wird der Frage nach der politischen Funktion des Theaters nachgegangen.

 

Selten erlebte Einigkeit herrschte an einem Punkt: Vom anwesenden Kulturbürgermeister Michael Faber, der die Bezeichnung „Orchideenfächer“ aufgrund ihrer subtilen Diskriminierung kritisierte, über die vielfältige Leipziger Theaterszene bis hin zu Wolf Winkler, Geschäftsführers von „Gemeinsam für Leipzig e.V.“, sprachen sich alle für den zu unterstützenden Bildungseffekt des Theaters aus. Kultur solle Werte schaffen, die über das Interesse am Erwerb hinausgehen, Kultur sei ein notwendig demokratisches Medium, Kultur muss gegebenenfalls der Politik den Spiegel vorhalten und sensibilisieren.

Die Veranstaltung im Schauspiel Leipzig war ein Plädoyer für weitere öffentliche Debatten, ganz unabhängig davon, ob und wie die genannten Institute noch zu retten sind. Der Umgang mit sich selbst, mit Anderen, mit den uns zur Gestaltung gegebenen Verhältnissen wird immer und beständig neu praktiziert. Die nun folgenden Diskussionen werden sich fragen müssen, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen. Am 7. Februar wurden im Schauspiel, umrahmt von Präsentationen der hiesigen Kultureinrichtungen, Grundsatzfragen gestellt. Man wird sehen, wie lange ihr Feuer in der Leipziger Öffentlichkeit zu lodern vermag.

 

Weitere Informationen dazu findet Ihr hier.

Wer selbst als Unterstützer aktiv sein möchte, kann dies z.B. durch das Zeichnen der Online-Petition für den Erhalt der Theaterwissenschaft tun.

Abschließend sei noch auf den offenen Brief ehemaliger Studierender des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig zu den aktuellen Kürzungsplänen hingewiesen.


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