Beobachtet, berechnet, bewertet!

25. November 2011, 07:48 Uhr,

Mitarbeiterüberwachung ist in deutschen Unternehmen mittlerweile leider oftmals Realität. Wie ist die aktuelle Situation, wo hören die Rechte des Arbeitgebers auf, was ist erlaubt, was nicht? Hochkarätige Veranstaltungen wie das 6.dtb-Forum für Arbeitnehmervertreter beantworten diese Fragen.


Beobachtet, berechnet, bewertet!

2008 bewegte ein Skandal ganz Deutschland. Reporter des Stern deckten die Bespitzelungsaffäre beim Discounter LIDL auf. Dort waren über Monate minutiöse Protokolle aller Mitarbeiter erstellt worden. Man erfasste u.a. auch, wer, wann, wie lange auf das WC geht, über was sich die Mitarbeiter privat unterhielten, wer mit wem welche Beziehungen pflegte usw. Die spätere fadenscheinige Erklärung es ginge darum den Diebstahl einzudämmen, hielt den vielen gegenteiligen Beweisen nicht lange stand. Bereits 2004 war LIDL in die Kritik geraten, deren Details von ver.di mittels eines „Schwarzbuches“ veröffentlicht worden. Damit verstieß LIDL wiederholt massiv gegen deutsches Datenschutzrecht, ohne dazuzulernen oder die interne Politik zu ändern. Nach dem Bekanntwerden gaben LIDL-Manager sogar zu, ohne die Aufdeckung wäre man auch weiterhin mit den Überwachungen fortgefahren.

Von Einsicht keine Spur!

Auch in anderen Belangen werden vor allem bei großen Handelsketten Arbeitsschutzbestimmungen massiv missachtet. Ob es um unbezahlte Mehrarbeit geht, Missachtung von Pausenzeiten, Mobbing, schlechte Mitarbeiterführung usw., es ist erschreckend unter welchen Umständen zum Teil gearbeitet werden muss. Damit wir nicht den Rahmen dieses Artikels sprengen, werde ich mich dazu demnächst noch einmal gesondert äußern. Für tiefergehende Informationen zu LIDL und zur Situation im Einzelhandel empfehle ich das Buch von Frau Ulrike Schramm de Robertis „Ihr kriegt mich nicht klein“.

In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Vorfällen, bei denen Arbeitnehmer von Ihrem Arbeitgeber ausspioniert worden. Dies geschah nicht nur mittels Kameras, automatisierter Protokollierung von Tätigkeiten oder Spionagetools auf den Arbeitsplatz-PC’ s, sondern auch durch Verhöre und Befragungen, sowie der systematischen Durchforstung von privaten Profilen in sozialen Netzwerken.

Natürlich passieren solche Aktionen der Firmen- oder Filialleitungen stets heimlich und ohne Mitspracherecht oder Kenntnis der Betroffenen. Den Verantwortlichen für Verstöße ist selbstverständlich bewusst, dass Sie gegen geltenden Recht verstoßen. Doch wie sagt schon das Sprichwort?

„Wo kein Kläger, da kein Richter!“

Werden derartige Fälle bemerkt, scheut sich ein Großteil der Angestellten aus Angst vor Repressalien oder Verlust des Arbeitsplatzes diese Dinge kund zu tun. Verständlich, denn unbequeme Personen werden schnell umbesetzt oder entfernt. Die Chance sich dagegen ohne genaue Kenntnisse der Rechtslage zu wehren oder der dauerhaften Einschüchterung standzuhalten ist für den Einzelnen sehr klein.

Ein Betriebsrat, ob je Niederlassung oder besser als Gesamtbetriebsrat eines Unternehmens, kann als Vertreter aller Beschäftigten deren Interessen weitaus effizienter vertreten, als es ein einzelner, falsch oder ungerecht Behandelter vermag. Betriebsräte und Gewerkschaften, die Zugehörigkeiten zu diesen und Arbeit für diese Institutionen dürfen nicht behindert werden oder Grund zu Ausgrenzung sein. Angehörige von Betriebsräten genießen außerdem einen besonderen Kündigungsschutz. Vom Betriebsräten unterstützte Klagen gegen den Arbeitgeber haben höheres Gewicht vor den Gerichten.

Auch der Arbeitgeber kann von einem Betriebsrat partizipieren. Statt Unstimmigkeiten mit einzelnen Personen zu klären, gibt es nun die Möglichkeit deren zentralen Ansprechpartner und Vertreter zu nutzen und Regelungen, verträglich für beide Seiten, einfach umzusetzen. Durch Gespräche können Stolpersteine entdeckt und beseitigt, die Motivation der Mitarbeiter gesteigert (…wie es in den Wald hineinschallt…) und  Arbeitsniederlegungen vermieden werden.

Es spricht also nichts dagegen einen Betriebsrat im Unternehmen zu gründen. Deren Mitglieder gehen ganz normal weiter Ihrer Arbeit nach, abgesehen von Sitzungen und Schulungen, die selbstverständlich (im Interesse der Arbeitnehmer und damit im Grunde auch der Verbesserung problemloser Arbeitsabläufe im Betrieb) während der Arbeitszeit durchgeführt werden.

Mit der Übernahme der Tätigkeiten eines Betriebsratsmitgliedes betreten die betroffenen Personen meist komplettes Neuland. Es ist nicht so einfach, sich in alle rechtlichen Bestimmungen einzulesen, Möglichkeiten zu erfahren und nach Reglement vorzugehen. Genau an diesem Punkt kommen Tagungen wie das dtb-Forum für Arbeitnehmervertreter ins Spiel.

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Vom 08. Bis 10. Oktober 2011 fand dieses zum 6. Mal in Kassel statt. Wie stets hatten sich namhafte Verfechter der Arbeitsrechte und bekannte Datenschützer (u.a. Constance Kurz – Chaos Computer Club, Rudolf Dreßler  – Staatssekretär a.D., Waldemar Reinfelder – Richter am Bundesarbeitsgericht, Matthias Wilke, Vertreter des DGB usw.) eingefunden um einander kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen.

In 3 Tagen wurde in zahlreichen offenen und Fachvorträgen über neue technische Soft- und Hardwarelösungen diskutiert, die zur Einhaltung des Datenschutzes oder auch dem Missbrauch der Persönlichkeits- und Arbeitnehmerrechte genutzt werden können.

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Eines der Kernthemen war die Verdeutlichung heutiger Möglichkeiten der Mitarbeiterüberwachung und Persönlichkeitsanalyse. Compliance und Screening mögen als Methoden zur Straftatenverhinderung oder –vorbeugung durchaus eine Berechtigung haben, beschneiden aber ebenso schnell die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter. Besonders bedenklich ist dabei die Verwertung der Daten und Vorratsspeicherung. Das Protokollieren jeglicher Bewegungen, aller Tastatureingaben, sämtlicher besuchter Webseiten, gelesener E-Mails usw. ist extrem bedenklich.

Genau dazu gab es gut erläuterte Vorträge, die sich nochmals im Speziellen um Themen wie Mitarbeiterkontrolle, Datenmining bei SAP (bekanntestes und weltweit eingesetztes ERP-System, oftmals Standard bei den meisten groß- und mittelständischen Unternehmen), Sicherheit bei Smartphones oder Grundrechte im Arbeitsverhältnis drehten.

Spannend war der Auftritt von Günter Wallraff, der seit Jahren die Öffentlichkeit mit seinen investigativen Büchern auf Missstände aufmerksam macht. Dabei setzte er stets seine eigene Gesundheit aufs Spiel, um am eigenen Leib zu erfahren, wie es sich anfühlt als Lohnsklave oder Versuchs“kaninchen“ zu arbeiten.

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Das Forum bot allen Gästen die nötige Schützenhilfe um in den nächsten Monaten für Ihre Tätigkeit als Betriebsrat, als Datenschutzverantwortlicher oder Gewerkschafter gewappnet zu sein. Außerdem wurden die Teilnehmer stark sensibilisiert für etwaige Spionageaktivitäten und wie man dagegen vorgehen kann. Trotz aller Erkenntnisse hat auch das 6. dtb-Forum wieder einmal gezeigt, wie elementar der regelmäßige Besuch von Informationsveranstaltungen ist.  Solange noch Begriffe wie

betriebsratsverseucht

von Firmenleitungen gebraucht werden und die Anzahl der organisierten Arbeitnehmer bei aktuell nur rund 20% liegt, bleibt viel zu tun.

Deshalb, achten Sie auf Ihre Rechte! 


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