Qualitätsmanagement wird seit bereits 20 Jahren von der DIN Norm ISO 9001 definiert. Welche Veränderungen brachte deren neueste 2015’er Version mit sich und worauf muss man achten?
Die neue ISO 9001: 2015
Die neueste Fassung der DIN ISO 9001 ist seit Herbst 2015 veröffentlicht. Damit setzt dieser Normstandard für Qualitätsmanagement-Systeme seine weltweite Erfolgsgeschichte fort. 1995, im ersten Jahr der Norm, wurden weltweit rund 127.000 Institutionen zertifiziert. 2014 waren es schon rund 1,1 Millionen ausgegebener Zertifikate. Die vorliegende Version DIN ISO 9001:2015 (Erscheinungsjahr 2015) soll nun für mindestens 10 Jahre den Markt bestimmen. Es war eine lange Geburt: Seit Juni 2013 wurde im Normenkomitee über eine zukunftsfähige Anpassung der QM-Grundlagennormen DIN ISO 9001 und DIN ISO 9000 beraten. Am 15.09. 2015 erschienen dann die neuen Revisionen, inzwischen sind auch die deutschen Versionen erhältlich.
Ziele der Überarbeitung
Vor dem Horizont veränderter QM-Verfahren und neuer Technologien galt es, einen zukunftsfähigen, stabilen Rahmen für Qualitätsmanagement-Systeme zu schaffen. Die Ausrichtung auf den Nutzen und die Wirksamkeit für Organisation und Kunden rückt damit ins Zentrum der Norm.
Darüber hinaus wurden bei dem neuen Standard die strategische Ausrichtung, aber auch das Chancen- und Risikomanagement wichtiger. Diese Elemente gab es versteckt (z.B. im Kapitel Vorbeugemaßnahmen) auch in der Version 2008 jedoch erlangen diese Themen eine deutlich stärkere Bedeutung. Ein weiteres Revisionsziel bestand darin, Dienstleistungen und Dienstleister stärker zu berücksichtigen und zu einer einfacheren „Normsprache“ zu finden. Das Ziel der Vereinheitlichung wird auch durch die Struktur der „neuen“ 10 Normkapitel erreicht. Diese Struktur ist bereits aus anderen Normen bekannt und vereinfacht insbesondere die Arbeit mit mehreren Managementsystemen im Unternehmen. (zusätzliche Informationen dazu finden Sie hier.)
Regelungen für den Übergang
Zertifikate nach der Vorgänger-Revision ISO 9001:2008, werden jetzt keineswegs automatisch ungültig. Allerdings hat mit der Veröffentlichung der neuen Revision im September eine dreijährige Übergangszeit begonnen. Diesen Zeitraum können und sollten Sie nutzen, um Ihre QM-Dokumente auf die neuen Anforderungen umzustellen und die Zertifizierung nach dem neuen Standard zu beantragen. In den nächsten eineinhalb Jahren (bis Frühjahr 2017) können Sie sich auch noch nach dem Standard der Revision 2008 zertifizieren lassen. Aber nach dem September 2018 müssen Zertifikate dieser alten Version vom Markt verschwunden sein. Das gilt für alle Zertifikatsträger.
Die Umstellung erfordert in jedem Fall ein Audit vor Ort (Überwachungs- oder Re-Zertifizierungsaudit). Das verursacht Mehraufwand und Mehrkosten. In Anlehnung an die Empfehlungen der DakkS ist im Schnitt mit folgendem Mehraufwand zu rechnen:
- Re-Zertifizierung: Mind. 10% des ursprünglichen Auditaufwandes – mindestens 0,25 Audittage.
- Überwachung: Mind. 20% des ursprünglichen Auditaufwandes – mindestens 0,5 Audittage.
Inhalte und wichtige Neuerungen der aktuellen Normversion
Als Unternehmen mit aktueller ISO-Zertifizierung können Sie Ihre bestehenden Inhalte gut nutzen, um auf die neue Version überzuleiten. Die wesentlichen Anforderungen der bestehenden DIN ISO 9001:2008 gehen fast vollständig in der neuen Version auf. Ein schlichtes Umschreiben der Kapitel wird allerdings nicht reichen. Es sind zentrale Themenbereiche neu dazugekommen, die für die zukünftige Qualitätsarbeit berücksichtigt werden müssen.
1. Strategie und Positionierung im Fokus
Als Stratege freue ich mich am meisten über das neue Kapital 4 „Kontext der Organisation“. Hier werden die strategische Ausrichtung und die Einordnung Ihrer Institution ins bestehende Marktumfeld zum Thema. Bedarfe und Anforderungen aller relevanten Parteien (Kunden, Mitarbeiter, Finanzierer, Wettbewerber) müssen in diese strategische Standortbestimmung einfließen. Hier erfolgt explizit die Erweiterung des Blickwinkels von Kunden auf alle an der Leistungen oder dem Unternehmen interessierten Parteien. Die Einordnung in den Kontext und damit die Darstellung der Positionierung muss exakt gelingen, denn sie liefert die Basis für den Anwendungsbereich Ihres QM-Systems und damit auch für die QM-Dokumentation. Dieser neue strategische Fokus nimmt die Führungskräfte sehr viel stärker in die Pflicht als bisher – QM wird definitiv Teil der obersten Führungsverantwortung, denn Strategie ist wirklich Chefsache.
2. Lenkung der QM-Arbeit
Neben der Führung war die operative Umsetzung, Implementierung und Aufrechterhaltung des QM-Systems oftmals die Aufgabe des „BOL“ – Beauftragten der obersten Leitung. Die Existenz einer so ernannten Person ist mit der neuen Revision nicht mehr explizit gefordert. Aber: Die Norm fordert, dass die Verantwortlichkeiten für die Erfüllung der Normanforderungen im Unternehmen festgelegt sind. Dadurch wird klar, dass die Aufgabe auch auf mehrere Personen verteilt werden kann, aber geregelt muss es sein.
3. Durchgehende Sicht auf die Prozesse
Die Prozessorientierung spielt eine deutlich wichtigere Rolle. Prozesse und die Wechselwirkungen mit den Mitarbeitern sind die Stellhebel, die den Erfolg bestimmen. Die neue ISO-Version hinterfragt nicht nur Ergebnisse sondern hat durchgängig auch die Prozessleistung im Blick.
4. Chancen und Risiken antizipieren
Die systematische Betrachtung von Chancen und Risiken wird verpflichtender Bestandteil der DIN ISO 9001 – in vielen anderen Normen ist dieses Thema ja bereits integriert. Als Anwender der Norm sind Sie gehalten, die Chancen und Risiken zu erfassen, die sich aus Ihrer Geschäftstätigkeit ergeben, und Sie müssen daraus auch konkrete Maßnahmen für die Organisation ableiten.
5. Wissen systematisch managen
Wissen als bedeutende Ressource zu betrachten und diese Ressource zu sichern, liegt im Eigeninteresse jeder Organisation. Gerade für Dienstleister ist Wissen ein bedeutender Unternehmenswert und ein Teil des Betriebskapitals, den es zu schützen gilt. Wissen in Form von Konzepten und Methoden zu dokumentieren reicht dabei alleine nicht aus. Noch entscheidender ist es, in der Organisation und bei bestimmten Mitarbeitern vorhandenes Erfahrungswissen zu konservieren und in anwendbarer Form für weitere Mitarbeiter verfügbar zu machen.
6. Vorgeschriebene Dokumentationsanforderungen reduziert
In der neuen Norm wurden die zu dokumentierenden Vorgaben stark reduziert (einen Überblick über die Pflichtdokumentation finden Sie hier). Die Pflicht eines QM-Handbuches gibt es nicht mehr. Neben den zu Pflichtdokumenten legen Sie die Struktur Ihrer QM-Dokumentation selbst fest und regeln dort auch, welche Prozesse, Dokumente und Aufzeichnungen dokumentationsrelevant sind und in welcher Form dies zu erfolgen hat. (zusätzliche Informationen dazu finden Sie hier.)
Fazit:
Die neue ISO 9001:2015 ermöglicht eine flexiblere Gestaltung von Form und Struktur der QM-Dokumentation und damit eine bessere Anpassung an die realen betrieblichen Prozesse. Die Anpassungsfähigkeit an Dienstleistungsprozesse wird durch die Revision deutlich besser möglich. Die Normanforderungen der Vorgängerversion gehen inhaltlich nahezu vollständig in die neue Version ein. Darüber hinaus sind mit den Kapiteln „Chancen/Risiken“ und „Wissensmanagement“ ganz neue Anforderungen zu realisieren.