Revolution 3D-Druck

24. Januar 2014, 09:45 Uhr,

3D-Druck ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern hat in einigen Bereichen des Lebens längst Einzug gehalten. Wir geben einen ÜBerblick über bereits Mögliches und Kommendes.


Revolution 3D-Druck

Wer kennt aus Kindertagen nicht Pippi Langstrumpfs Motto: „Ich mache mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“? Während Frau Lindgren dies eher im übertragenen Sinne meinte und ihre Romanfigur frei, unabhängig und ohne Erwachsenenregeln leben lässt, so kann man dies heutzutage getrost wörtlich nehmen.

Regelmäßig und in zunehmend kürzeren Abständen wird die technische Entwicklung der Menschheit von bahnbrechenden Erfindungen geprägt. Ob es sich um das Rad, die Dampfmaschine, Nutzung von Elektrizität, erste Telefone oder das Internet handelt, stets wirkten sich diese Neuerungen im globalen Maßstab aus und veränderten teils grundsätzlich komplette Lebensbereiche. Derartige Technologien kommen nicht nur in zunehmend kürzeren Abständen vor, sondern durchdringen auch immer schneller und intensiver den Alltag. Ein gutes Beispiel dafür ist das Smartphone (Wundert es noch jemanden, dass auch diese bald gedruckt werden?).

Es scheint schon lange her zu sein, als Apple mit dem ersten iPhone den Siegeszug der Multitouch-oberflächen einleitete. Dabei sind seit 2007 gerade einmal 7 Jahre vergangen. 7 Jahre, in denen Smartphones klassische Handys fast komplett vom Markt verdrängt haben und sogar in „Schwellenländern“ oder der „3. Welt“ reichlich anzutreffen sind.

(Noch) nicht ganz so rasant, aber dafür meinem Erachten nach umso prägnanter, werden 3D-Drucker die Welt verändern. Auf die Gefahr hin mich zu irren, behaupte ich sogar, eine Revolution steht an. Nur, dass diesmal nicht nur 1 oder 2 Bereiche betroffen sind, sondern sich Herstellungs- und Schaffensprozesse komplett verändern könn(t)en.

Viele werden von 3D-Druckern gehört haben, damit geschaffene Kunstobjekte, Miniaturen oder Werbeartikel gesehen haben oder gar besitzen. Und in der Tat werden vor allem diese Art Produkte hergestellt. Kreative Designer und 3D-Grafikspezialisten können ihren Werken endlich selbst zu „physischem Leben“ verhelfen. Um wie viel überzeugender ist eine Figur doch, wenn man diese nicht nur am Bildschirm betrachten, sondern in den Händen halten kann? In Tabletophobbywelten hat der 3D-Druck dafür gesorgt, dass man eben nicht auf die Schöpfungen weniger Hersteller angewiesen ist, sondern eigene Ideen einfließen lassen kann. Viele begnadete Figurendesigner wagten unlängst den Schritt zur Selbstständigkeit aus eben jenem Grund. Statt aufwendige Metallgussformen zu bauen, Einzelmodelle per Hand zu modellieren oder „zwanghaft“ Kleinserien zu fertigen, ist nun jederzeit ein 3D-Druck und damit ein greifbares Ergebnis möglich. Und somit tummeln sich in diesem Nischenmarkt plötzlich nicht mehr nur eine Handvoll, sondern dutzende Unternehmen, werden fast täglich neue und noch gelungenere Kreationen vorgestellt. In diesem Zusammenhang danke an das Team der Mechworld, welche mir Einblicke in interessante 3D-Projekte ermöglichten und folgendes Torii sendeten.

„Digital Fabricators“ kurz Fabber, zu denen 3D-Drucker gehören, kennt man eigentlich schon lange, denn CNC-Maschinen, welche Schneiden, Fräsen oder auch Drehen werden seit Jahrzehnten im Maschinenbau eingesetzt. Doch während hier Material aus Rohlingen entfernt wird und somit auch viel Verschnitt, oftmals Abfall, entsteht, verwenden additive Fabber nur so viel Material wie wirklich gebraucht wird. Weiterhin entfallen oftmals Transportwege, logistischer Aufwand wird minimiert, energieeffizienter und umweltschonender zu sein, kann man sich ebenfalls beruhigt an die Fahne heften. Globalisierte Märkte werden ganz besonders betroffen sein. Eine Verlagerung der Produktion ist nicht mehr nötig, warum nach China expandieren, wenn der Drucker auch daheim stehen kann. Reine Exportländer werden ebenfalls an Ihre Grenzen stoßen, Rohstoffe hingegen umso wichtiger werden.

Gedruckt werden kann dabei mit den unterschiedlichsten Materialien und in verschiedenen Detailgraden. Neben Kunststoffen und –harzen werden auch Keramik und Metalle verwendet. Von eher groben Prototypen bis hin zu höchst detaillierten Ergebnissen, bei denen man kaum noch die Schichtung bzw. das Druckverfahren erkennen kann, ist alles möglich. Einzigartiger individueller Silberschmuck für die Dame des Herzens? Kein Problem. Die Lieblings-Comicfigur der Kinder? Na klar. Das eigene Firmenlogo in 3D? Aber ja doch. Selbst komplexe Mechanismen sind machbar.

Selbstverständlich braucht man für den Druck eine passende 3D-Vorlage. Diese kann mittels CAD-Programmen oder gängiger 3D-Software wie Cinema4D, Blender, ZBrush etc. erzeugt werden. Man muss kein Orakel sein, um zu erkennen, dass 3D-Designer, CAD-Experten und Menschen, die neue kreative Ansätze für diese Technik zu finden und nutzen wissen, in den nächsten Jahren gefragte Leute sein werden. Da ein Großteil der Figuren moderner PC-Games, aus Animationsfilmen, ja selbst Technikteile (z.B. für die Autoindustrie) aber mittels dieser Programme entwickelt wird, existieren bereits Millionen an nutzbaren Modellen weltweit. Bemüht man die Suchmaschine der Wahl findet man leicht kostenfreie Vorlagen, welche problemlos und ohne Vorkenntnisse genutzt werden können. Alternativ dazu sind auch 3D-Scanner immer mehr im Kommen. Ganzkörper- oder Industriescanner können selbst große Objekte erfassen und die Scandaten an den passenden Drucker senden. Sie benötigen Modelle Ihrer Produkte, Fahrzeuge, Möbelstücke? Einscannen, um beliebigen Faktor verkleinern, ausdrucken, fertig. Selbstverständlich kann man diesem Weg auch andersrum folgen. Apropos Möbel. Auch hier finden sich erste Hersteller die sehr individuelle und neuartige Stücke anbieten…natürlich ausgedruckt!

Sogenannte FABLABs sind Interessengruppen (welche man sicher auch in der eigenen Region findet), welche sich speziell unserem Thema zugewandt haben. Man kann es grob mit einer Werkstatt für Jedermann vergleichen, wo einem bei der Umsetzung von Ideen, Hilfe und Unterstützung zu Teil wird, man mit Gleichgesinnten den Austausch pflegt und gemeinsam an Projekten arbeitet. Einen weiteren Vorteil stellt die oftmals breite Palette an vorhandenen Gerätschaften dar, welche man sehr kostengünstig nutzen kann. Auch erste Copyshops haben eröffnet, welche sich ausschießlich dem Thema 3D zuwenden.

Damit sind die Einsatzmöglichkeiten aber lange noch nicht erschöpft. Verfügt man über die digitale Vorlage, kann man sich Ersatz- oder Verschleißteile selbst drucken und austauschen. Handelt es sich um Einzelstücke und Kleinserien biete sich ebenfalls der Druck an, statt einem „Umweg“ über die Fabrik. Architekten und Ingenieure nutzen die Möglichkeiten und ihre Vorhaben zu visualisieren oder Prototypen zu Testzwecken zu erstellen. In der Forschung, Raumfahrt oder beim Flugzeugbau werden Komponenten bereits standardmäßig im 3D Druck realisiert. 2014 wird die ISS einen 3D-Drucker an Bord haben um defekte Mechanismen selbst zu ersetzen. Transportflüge und immense Kosten können damit eingespart werden. Raumfahrtbehörden arbeiten daran, komplette Mond- oder Marsstationen aus den Materialien vor Ort zu drucken. Damit überflügeln die heutigen Möglichkeiten die Ideen von Science Fiction Autoren schon um Einiges.

Auch der klassische Hausbau wird sich in den nächsten Jahren deutlich wandeln. Statt Stein auf Stein oder Plattenbauweise sind auch hier große Drucker im Einsatz, die komplette Eigenheime in nur einem Tag hochziehen können, selbstverständlich inklusive der nötigen Versorgungsleitungen, Rohre, Kabelschächte etc..

Zahnersatz und Implantate können sehr passgenau und kostengünstig produziert, Prothesen nun noch leichter auf den Patienten zugeschnitten/ ausgedruckt werden. Schon seit Jahren arbeitet man an Bioprintern, welche künstlich gezüchtetes Zellgewebe verarbeiten können und so Organe, Nahrungsmittel oder ganze Organismen erzeugen. Genau an dieser Stelle kann man natürlich durchaus an ethische oder moralische Grenzen stoßen.

In der Denkmalpflege- und erhaltung, der Museologie und Archäologie kann man neue Wege gehen. Repliken von unersetzbaren historsischen Plastiken herstellen, Kopien von seltenen Kunstwerken schaffen, ohne diese abgießen zu müssen, vielleicht sogar irgendwann Objekte auf dem Meeresgrund scannen und diese an Land nachempfinden, ganz ohne aufwendige Bergungsmaßnahmen, die Möglichkeiten scheinen endlos. Die Mona Lisa in 3D nachempfunden? Wäre machbar. Michelangelos David oder die Venus von Milo in jedem großen Museum? Warum nicht?

Große Chanchen beinhalten auch stets große Risiken. Und da findet man beim 3D-Druck gleich eine ganze Menge. Seien es frei erhältliche Bauanleitungen für schußfähige Waffen, welche man sich zum „Selbstschutz“ ausdrucken kann (was für ein Alptraum) oder die Kopierbarkeit fast aller physischen Objekte, beispielsweise von Schließanlagen und zugehörigen Schlüsseln. Auch die Urheberrechtsproblematik bräuchte eine dringende Anpassung.

Die neueste Entwicklung ermöglicht es unterschiedlichste Werkstoffe, „Härtegrade“, Farben usw. in einem Arbeitsschritt zu drucken und miteinander zu verbinden. 3D-Drucker können somit selbst alle Komponenten weiterer 3D-Drucker herstellen, welche wiederrum 3D-Drucker drucken usw. Neben fertigen Geräten, die man sich wohl auch wegen des gelungenen Designs, geruchs- und lärmreduzierter Bauweise, sowie kompakten Maßen, neben seinen Desktop-PC stellen kann (und in den nächsten Jahren vermehrt wird), können sich einigermaßen geschickte Bastler ihr eigenes Gerät auch als Bausatz kommen lassen. Noch in diesem Jahr sollen 3D-Drucker in amerikanischen Schulen stehen, nicht als Einzelexemplare, sondern flächendeckend. In Deutschland findet man entsprechende Geräte ebenfalls schon mancherorts.

Passende Messen gibt’s dazu natürlich auch. So findet im Mai in Erfurt zum wiederholten Male die FabCon3.D statt. Also nichts wie hin!

Ihr seht, wir sind wirklich nicht mehr weit vom eingangs erwähnten Kinderlied entfernt. Vielleicht wird es in 10-15 Jahren selbstverständlich sein, nebst Smartphone (oder was auch immer wir dann als Telefon und mobile Multimediazentrale nutzen) den Personal Fabber daheim zu haben. Und Kinder malen dann nicht nur aufs Papier, sondern drucken sich Ihre eigene schöne neue Welt. Willkommen in der Zukunft.


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