Handwerk im Fokus – Klyder

10. Februar 2014, 12:23 Uhr,

Individuell, kreativ und handgemacht, so sind die Kleider von Mandy Härtel. Für unsere Reihe „Handwerk im Fokus“ schauten wir in Ihr Studio und wandten uns dem Thema Mode zu.


Handwerk im Fokus – Klyder

2014 möchten wir die beliebte Reihe „Handwerk im Fokus“ weiter fortführen. Wir starten mit einem Artikel über das Atelier Klyder und nähern uns damit erstmals dem Thema Mode. Leider verbindet man Mode hierzulande immer weniger mit dem Thema Handwerk, schließlich bestimmt Massenware die Boutiquen und Kaufhäuser. Handarbeit findet in Deutschland kaum noch statt und Berufe wie Schneider(in) sind selten geworden. Grund genug eine solche vorzustellen und damit vielleicht Euer Interesse an einem Besuch oder einer Ausbildung in dieser Richtung zu wecken.

Die Schneiderin: „Man muss Idealismus haben.“

Wenn Mandy Härtel dies sagt glaubt man es Ihr sofort. Idealistisch ist sie auf jeden Fall, verliebt in Ihre Arbeit und spürbar begeistert fürs Handwerk, Ihr Atelier, Ihren Beruf, der mehr Berufung als reiner Broterwerb ist. Aufgewachsen in der Lausitz, beschäftigte sich die heute 42jährige bereits als junges Mädchen mit dem Nähen. Praktischerweise ist Ihre Mutter selbst gelernte Schneiderin und vermittelte das Interesse am Gestalten und Handarbeit auch ihrer Tochter. So stand auch dieser Beruf ganz oben auf der Wunschliste.

Doch wie so oft in der DDR kam es anders und Mandy lernte stattdessen Vermessungstechnikerin im regionalen Tagebau. 1990 siedelte Sie aus Liebe nach Mittweida um, lernte als Zweitberuf Fleischerfachverkäuferin und brachte 1994 und 1996 Ihre Kinder zur Welt. Als junge Mutter fand sie den Ausgleich beim Nähen. 3 Jahre später wurde ihre Teilnahme an einer Hobbymodenschau mit einem Preis ausgezeichnet. Mit weiteren Erfolgen und Anfragen wuchs der Gedanke, vielleicht doch Fuß zu fassen in der Modebranche. Eine Umschulung krönte sie 2004 mit Ihrem dritten Berufsabschluss und wurde nach dem Praktikum auch in einen Leipziger Betrieb als Gesellin übernommen.

Insgeheim wollte sie aber mehr als „nur“ angestellt sein und fremde Ideen umsetzen. Folgerichtig setzte sie 2008 noch eine Qualifizierung zur Schneidermeisterin obendrauf und wagte ab Oktober des gleichen Jahres den Schritt in die Selbstständigkeit. Bei der Annonce „Junge Schneidermeisterin aus Leipzig sucht Nachfolgerin“ zögerte Mandy nicht lange und übernahm Aufträge und das existierende Studio in Böhlitz-Ehrenberg

Dank Gründungszuschuss konnte sie ihren Standort in die Karl-Liebknecht-Straße verlegen, komplett auf eigenen Beinen zu stehen war bei der sich erst entwickelnden Auftragslage jedoch nicht möglich. So jobte sie 2010 auf Teilzeit in Halle, um über die Runden zu kommen, ein Problem, welches viele Einzelunternehmer sicher (noch) gut nachvollziehen können. Die Wende kam u.a. mit Aufträgen für die MDR-Serie „In aller Freundschaft“ und langsam wurde klar, ein erneuter Umzug in größere Räumlichkeiten, ein echtes Studio war dringend nötig. Eher durch Zufall stieß sie auf Ihr jetziges Domizil in der Harnackstraße und KLYDER fand endgültig sein Zuhause.

Neue Referenzen stellen Auftragsarbeiten für das Schillermuseum Rudolstadt, das Ensemble der Saalfelder Feengrotten und diverse Tatort-Folgen dar. Seit 2011 nimmt Frau Härtel mit eigenen Entwürfen an Modeschauen teil und gibt Unterricht in Sachen Modedesign an der Hochschule Leipzig. Außerdem ist sie aktiv im Arbeitskreis „Mode & Design“ und bildet seit September 2012 eine junge Frau zur Schneiderin aus.

Auf den Interviewklassiker „Wo sehen sie sich in 5 Jahren?“ bekam ich eine klare „Zukunftsvision“ als Antwort. Eine 2. Angestellter sowie 1-2 freie Mitarbeiter sollen zum Team stoßen, Maßanfertigungen neben eigenen Kollektionen die Arbeit bestimmen. Da sie selbst tanzt werden wir wohl bald Tangomode erwarten können, auch für den eleganten Herrn. Dem Unterricht möchte sie treu bleiben und noch mehr Aktionen durchführen. Man spürt die Frau „powert“ und wird Ihren Weg gehen.   

 

Das Studio: „Ich habe noch nie einen Tag erlebt, an dem ich ungern in meinen Laden gegangen wäre aber ich hätte gern mal wieder einen freien Sonntag.“

Wunderschöne Kleider, vor allem für festliche Anlässe, umgeben zusammen mit Stoffproben, Fachliteratur und –Zeitschriften ein burgunderrotes Sofa. Ein großer Spiegel lädt dazu ein, sich im neuen Gewand gebührend zu bewundern. Hinter einem schweren Vorhang liegt das kreative Reich, voller Schneiderpuppen, Maschinen, Stoffen und Garnen. 60qm stehen zur Verfügung, welche im vorderen Bereich für Präsentationen, Kundengespräche, Beratung, im hinteren für das eigentliche Schneidern genutzt werden.

Dominiert wird der Bereich vom unvermeidlichen riesigen Arbeitstisch, auf welchem abwechselnd an Skizzen, Schnittmuster oder Stoffballen gezeichnet, gemessen und geschnitten wird. Die beiden Industrie-Schnellnäher teilen sich den restlichen Platz mit automatischen Abschneidern, Versäuberungsmaschinen und einer Profi-Bügelstation.

Auch wenn die Geräte optisch den typischen Haushaltsmodellen gleichen, so arbeiten sie doch ungleich schneller, präziser und kommen genauso gut mit hauchzarten als auch sehr dicken Stoffen klar. Robust und pflegearm hält so eine 2000 € – Maschine (Preis nach oben offen) jahrelang.


Als Laie registriert man überrascht die unglaublich vielen, höchst unterschiedlichen Stoffe und deren Qualitäten. Erworben werde diese im Großhandel, Versandhandel, auf Stoffmessen oder bei Designern. Manche Ballen stellen sogar Unikate dar, „Reste“, die man so nirgendwo mehr findet und aus denen idealerweise ganz besondere Stücke entstehen. Paillettenstoffe oder Entwicklungen von bekannten Designern kosten am meisten und liegen natürlich nicht als „totes Kapital“ im Regal, sondern werden je nach Kundenwunsch geordert. Aber auch Anzugsstoffe bringen es im Fall der besten Schurwolle schnell auf 500 € je laufenden Meter. Normale Stoffe findet man im Rahmen von 2,50 – 130 €. Wusstet Ihr übrigens, dass man auch aus Milchfasern Stoffe herstellen kann? Antibakterielle modische Kleidung für Allergiker, das gab es vorher nie. Mehr dazu bei QMilk. Hightech und neue Ideen findet man also auch in einem solch alten Handwerk.

Beratung ist das A und O. Erst wenn genau klar ist, was die Kundin (den meist sind es Frauen) wünscht, was zu Ihr und dem Anlass passt, kommt die emsige Nadel zum Einsatz. Fr. Härtel ist also auch zu einem guten Teil Stilberaterin und Trendexpertin.

So spielen u.a. auch der Typ (introvertiert, extrovertiert), Alter oder Figur eine Rolle. Hat man sich nach dem Ausschlussverfahren auf ein ungefähres Modell geeinigt, wird eine Figurine erstellt, sprich ein Kostüm- oder Modeentwurf gezeichnet oder modelliert. Man arbeitet (notwendige und Zier-) Nähte ein, wählt Kargen, Ärmel, Aufschläge. Hernach können anhand von Stoff-Muster-Karten (bei welchen es sich um sehr! dicke Kataloge handeln kann) Material, Farben und auch Accessoires wie Knöpfe usw. bestimmt werden. Bei der Anprobe wird das Kleidungsstück dann komplett dem Körper angepasst, hier noch schnell etwas ausgelassen, da noch ein bisschen gerafft. Verlassen wird die Kundin den Laden mit einen individuellen, perfekt sitzenden Kleid und einem Lächeln auf den Lippen.

 

Das Shooting: „Mit hohen Schuhen und im engen Kleid zu laufen ist nicht schwer…bei richtigem Körpergefühl.“

Sprachs und schwebte in Ihrem Kleid davon. Sie, das ist Christina, rothaariges zauberhaftes und sehr professionelles Hobbymodel. Um die Kleider von KLYDER passend in Szene zu setzen, entschieden wir uns einen eher ungewöhnlichen Ort fürs Shooting zu suchen. Wie praktisch, dass wir vor nicht allzu langer Zeit auf Röskant stießen und Franko Lehmann dieser Idee aufgeschlossen gegenüberstand. Und so trafen wir uns wenige Tage nach Interview und Studiobesuch zu siebt in der wohl schönsten Kaffeerösterei Leipzigs.

Franko stellte uns freundlicherweise seine Räumlichkeiten zur Verfügung, wir kümmerten uns um die Fotos und Mandy Härtel rückte mit 3 jungen Frauen im Schlepptau an. Neben Christina posierten auch ihre Zwillingsschwester Stefani und Tanja vor der Kamera. Diese bei verschiedenen Shootings und Modenschauen erworbene Professionalität, bemerkte man deutlich. Geduldig wurde die Pose gehalten, ließ man sich Kleider und Accessoires richten. Die Lokation erlaubte ungewöhnliche Bilder, bei dem natürlich auch das Thema Kaffee eine große Rolle spielte. Für die Gelegenheit hatte Mandy 3 ganz besondere Stücke ausgesucht. Christina trug ein farbenfrohes kurzes Sommer-, Stefani ein glänzendes Barock- und Tanja ein langes weißes Brautkleid. In jedem einzelnen stecken bis zu 50 Std. reine Arbeitszeit, keine Kleider für jeden Tag also.

Beim Shooting trafen 2 Perfektionisten aufeinander: Mandy, die Ihre Werke und deren Trägerinnen bestens zur Geltung kommen lassen wollte, auf jeden Faltenwurf achtete und Thomas, der versuchte Licht und Schatten perfekt zu komponieren. Kreatives Chaos also, welches ich schmunzelnd beobachtete. Die Ergebnisse gaben dem Aufwand aber absolut recht und zeigen, dass es sich immer lohnt seine besten Kreationen angemessen zu präsentieren.

Fazit:

Schneidern ist viel mehr als Ballen zerschneiden, Knöpfe an- und Stoffe aneinandernähen. Schneidern ist abwechslungsreich, kreativ, mit viel Fachwissen verbunden, ein Handwerk, welches zum Glück auch heute noch in hohem Ansehen steht. Mit Mandy lernten wir eine Frau kennen, die ihren Weg, wenn auch mit Umwegen gegangen ist und im Moment ihren Traum verwirklicht. Das Shooting wiederum zeigte, was alles dazugehört, damit zum Schluss ein, nein DAS Foto entstehen kann. Also wenn Ihr vor modischen Ideen nur so sprüht oder ein interessantes Handwerk lernen wollt…worauf wartet Ihr? Für uns war es sicher nicht das letzte Modelshooting und wer weiß, evtl. erlebt man auch hier auf dem Blog ein Wiedersehen mit Tanja, Christina oder Stefani.

 


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