Bildungsträger vs. Werkakademie

17. Oktober 2013, 09:54 Uhr,

Das Jobcenter als eigener Bildungsträger, die Werkakademien machen es möglich. Chance oder Debakel für etablierte unabhängige Bildungsträger?


Bildungsträger vs. Werkakademie

„Die BA sucht nicht mehr offene Stellen für Arbeitslose, sie will Personen in offene Arbeitsplätze integrieren.“ Bereits im März 2012 hatten wir im Bildungsblatt den neuen Fokus der Bundesagentur für Arbeit auf den Punkt gebracht. Doch für Bildungsunternehmen ist es nicht nur positiv, dass die Bedarfsträger immer stärker Arbeitslose für bestehende, offene Stellen fit machen wollen, denn sie agieren dabei zunehmend als ihre eigenen Maßnahmeträger. Das zeigt auch das Werkakademie-Konzept der Jobcenter.

Die Bundesagentur setzt immer stärker auf den Dienstleistergedanken und bietet nun auch selbst klassische Bildungsträgerleistungen am Markt an. Das beobachten und berichten wir schon seit einiger Zeit. Dazu gehört u.a. die Beratung von Unternehmen durch den Arbeitgeberservice, die Suche nach Azubis und neuerdings die Qualifizierungsberatung. Jetzt gibt es in der Branche heiße Diskussionen über das Konzept der so genannten „Werkakademie“.

Mit Werkakademien bieten die Jobcenter selbst begleitende Aktivierungs- und Integrationsleistungen an. Diese richten sich speziell an neue Bezieher von Arbeitslosengeld II. Das Jobcenter übernimmt die Rolle des Trägers dabei einfach gleich selbst. Die Kunden werden während der ersten acht Wochen für drei Tage pro Woche eingeladen und durch Angebote wie Bewerbungs- und Verhaltenscoachings aktiv unterstützt. Die Betreuung erfolgt durch Coaches und Arbeitgeberscouts, die auch bei der Lösung von persönlichen Problemen beraten und helfen.

Dieses Modell ist bereits seit 2008 Praxis. Damals wurden Werkakademien in Optionskommunen in Hessen eingeführt. Mittlerweile wird das Konzept von mehreren ausgewählten Jobcentern in verschiedenen Bundesländern als Vorläuferprojekt umgesetzt, z. B. in Herne, Bochum, Düsseldorf, Mülheim und Paderborn. In Nordrhein-Westfalen gibt es acht Jobcenter, die eine Werkakademie realisieren.

Die Idee folgt dem amerikanischen Ansatz von „Work First“. Das bedeutet, dass arbeitslose Personen durch Eigenangebote der Bedarfsträger Motivation und Qualifikation erhalten oder schnell wiedererlangen sollen. In Europa wurde das Konzept zuerst in den Niederlanden aufgegriffen, mit Erfolg. Man steigerte die Eingliederungsquote nach Ende der Maßnahmen auf 30%. Auch für Deutschland ist die möglichst schnelle Rückkehr in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oberstes Ziel der Werkakademien.

Die Ergebnisse der deutschen Jobcenter sind noch nicht veröffentlicht. Aber für Bildungsträger ist die Werkakademie ein Menetekel! Sollten die Jobcenter Erfolge verzeichnen, wird die Entwicklung zur „Eigenleistung“ weitergehen. Bislang decken die Werkakademien nur wenige Bereiche ab, es dürfte aber klar sein, dass man mittelfristig den etablierten Bildungsträgern immer mehr Kategorien und Themen „abspenstig“ machen wird.

Für etablierte Bildungsträger ist jetzt Wachsamkeit und Flexibilität gefragt! Suchen Sie sich für Ihre Maßnahmen Nischen, die die Jobcenter schwer besetzen können. Und denken Sie über neue Zielgruppen und Geschäftsmodelle nach, denn mit den Bedarfsträgern wird es nicht einfacher.

Machen Sie jetzt den richtigen Zug!


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