Altenpflege – Human Ressources

29. Juli 2011, 06:57 Uhr,

Überlastete Pflegekräfte sind die „Normalität“. Warum das so ist, lesen Sie bei uns.


Altenpflege – Human Ressources

Immer wieder beschäftigte uns, hier und bei Facebook, das Thema Altenpflege.
Ein Aspekt wurde dabei aber noch nicht oder kaum beleuchtet.

Stärker noch als in anderen Berufen, steht und fällt die Qualität der Arbeit mit den Human Ressources.

Über notwendige Qualifikation, regelmäßige Schulungen und vor allem Ausbildung und Umschulung von neuen Pflegekräften haben wir bereits geschrieben.

Doch viel zu selten wird aber über die Belastung im Beruf Stehender berichtet.


Der akute Mangel an Kräften sorgt schon seit Jahren für längere Arbeits- und Schichtzeiten, egal ob bei ambulanten Diensten oder in Pflegeheimen. Nicht nur die Dauer führt zu Streß und Überlastung, sondern auch die Tätigkeit an sich. Zuwenig Zeit für zu viele Pflegebedürftige zu haben, und dennoch allen gesetzlichen Vorgaben und dem persönlichen Selbstverständnis gerecht zu werden fällt nicht leicht.

Dazu kommen die psychischen Belastungen. In kaum einer anderen Branche erlebt man es, dass die teils über Jahre gepflegten Menschen kontinuierlich abbauen und schließlich versterben.
Pflegekräfte lernen Ihre „Kundschaft“ sehr intensiv kennen und wissen nach einer Weile oft mehr über die Personen als deren Verwandtschaft. Dem Alterungsprozess zuzusehen und dennoch Lebensmut zu vermitteln, jeden Tag, ist schwierig.

Körperlich werden Pflegekräfte ganz besonders gefordert. In einer Branche mit überdurchschnittlich hohem Frauenanteil, sind es eben meist diese, welche in ungesunder Körperhaltung Hygienemaßnahmen u.Ä. durchführen. Meine frühere Lebenspartnerin arbeitet schon lange in dieser Branche, und ich weiß daher sehr genau, wie hart der Job ist. Versuchen Sie mal bei 65kg Eigengewicht, vornübergebeugt, eine 120kg Person, die Sie kein bisschen unterstützt, aus der Wanne zu heben. Bei Bettwäsche wechseln, dem An- und Auskleiden von bettlegerischen Patienten, Toilettengängen, Füttern dementer Personen usw. wird es nicht einfacher.

Zusätzlich zu grundiertem Fachwissen, körperlicher Fitness und guten Nerven müssen Pflegekräfte flexibel sein (Teildienste, Doppel- und Nachtschichten, Wochenendarbeit) und sich ständig weiterbilden.

Das sind hohe Anforderungen, die leider in der Öffentlichkeit kaum Beachtung finden, oder abgetan werden! Das bisschen „Po abputzen“ und Essen geben, was ist das schon!

Nun sollte man annehmen, dass Pflegekräfte entsprechend Ihrer verantwortungsvollen und anstrengenden Tätigkeit bezahlt werden, sozial abgesichert sind und Anerkennung von Firmenleitungen und Gesellschaft zu spüren bekommen.

Zutreffend ist das Gegenteil. Das wichtigste Element der Pflegedienstleistung und des Unternehmens, der Mensch, die „Human Ressource“ wird anders als medizinische Technik kaum gepflegt. Wartung bei Geräten wird als Selbstverständlichkeit gesehen. Mitarbeiter dagegen werden verschlissen und abgewirtschaftet. Dies zeigen sehr deutlich die Statistiken von KKH und anderen Krankenkassen.

Ich weiß, wie kaputt und ausgelaugt sich Pflegekräfte nach dem Dienst fühlen und habe selbst eine Menge Bekannte aus diesen Berufsfeldern. Trotz der Beschäftigung in unterschiedlichen Betrieben und Einrichtungen in verschiedenen Orten, ähneln sich Erfahrungen und Probleme stark.

Im europäischen Vergleich liegen die Löhne und sonstigen Vergütungen auf niedrigem Niveau, auch Pflegekräfte aus anderen (meist osteuropäischen) Staaten, die gern zur Lückenfüllung (bei teils noch schlechteren Arbeitsbedingungen) eingestellt werden, machen mittlerweile oft einen Bogen um Deutschland.

Eine Linderung der Zustände kann nur erfolgen, wenn Fachkräften verdienten Lohn bekommen, statt Überstunden „schrubben“, neue Kollegen(innen) eingestellt werden und gesetzliche Arbeitsrechtsbeschlüsse auch eingehalten werden!

Eine Lösung des Arbeitskräftemangels dagegen werden nur Ausbildungsoffensiven, staatliche Förderprogramme, sowie Engagement und Aufklärung bringen.

Bedenken Sie immer, jeder Mensch von heute, ist (wahrscheinlich) der Pflegefall von morgen.
Unter welchen Bedingungen möchten Sie Ihren Lebensabend verbringen?


Über den Autor