Zivildienst(ende) und die Folgen

15. Juli 2011, 09:38 Uhr,

Die Abschaffung von Wehr- und Zivildienst und deren Folgen….wir beleuchten sie.


Zivildienst(ende) und die Folgen

Seit dem 1. März 2011 gilt in Deutschland keine Wehrpflicht mehr.
Damit wurde in meinen Augen ein längst notweniger Schritt gesetzlich verankert.

Die Abschaffung nach 54 Jahren war stets heftig umstritten.

Doch allein der stetig sinkende Personalstand:

  1. 1990:  650.000 Mann (495.000 Mann Bundeswehr + 155.000 Mann NVA)
  2. Mai 2011:  220.000 Mann
  3. geplante Verkleinerung: 185.000 Mann (davon 15.000 Mann Freiwillige)

verlangte ein Umdenken.
Die Umstrukturierung der Bundeswehr zur Berufsarmee lässt Wehrpflicht obsolet werden. Dazu kommt, dass schon seit Jahren das Gleichheitsprinzip bei den Musterungen nicht gewahrt werden konnte. Potentiell standen mehr geeignete junge Männer für den Wehrdienst zur Verfügung, als vakante Stellen existierten. Dabei klaffte diese Schere stetig weiter auseinander.


Selbst geringfügigste körperliche Einschränkungen oder Hinderungsgründe genügten, um sich dem Dienst an der Waffe zu entziehen. Bei den Musterungen wurde im Endeffekt mehr nach Nase entscheiden, wer einen Einberufungsbefehl erhielt, und wer Zivildienst zu leisten hatte.
Von der gern bemühten „Wehr“- Gerechtigkeit keine Spur.


Verkürzte Wehrzeiten (zuletzt auf 6 Monate Dienstdauer) verschlimmerten das Ganze noch.
Im Berufsleben würde man nie erwarten, dass ein Neueinsteiger nach solch kurzer Zeit umfassend ausgebildet ist. Bei der Bundeswehr wurden in diese Zeitspanne aber Grundausbildung, fachspezifische Ausbildung und der Truppendienst selbst gepackt.  Selbstredend waren die einzelnen Abschnitte viel zu knapp bemessen, Routine und Erfahrung sammeln nicht mehr möglich. In einer modernen Armee haben aber auch Grunddienstleistende Umgang mit hochtechnisierter und wertvoller Ausrüstung, deren Fehlbedienung nicht nur materiellen Schaden verursachen kann. Für den Ernstfall sollte außerdem klar sein dass „Quicksoldiers“ einem erfahrenen Gegner nicht gewachsen wären.


Daher war es nur mehr als konsequent, diesen Umständen ein Ende zu machen, und ganz auf motivierte freiwillige und engagierte Soldaten zu setzen. Jemand, der nicht gezwungen ist, sich den gefährlichen „Begleiterscheinungen“ oder den besonderen Arbeitsbedingungen eines Wehrberufes zu stellen, wird natürlich ein weit besserer Soldat sein, als Jemand, der so etwas widerwillig tun muss(te). Berufssoldaten können gestellte Aufgaben und Situationen effizienter und schneller bewältigen. Ein Umstand, der im Einsatz Menschenleben retten kann.


Nicht zuletzt spart unser Staat durch die Reduzierung des Personals jedes Jahr hunderte von Millionen € ein. In den nächsten Jahren soll so der Etat für die Streitkräfte um rund 8 Milliarden € reduziert werden können. In Zeiten klammer Kassen und wachsender Staatsverschuldung ein gewichtiger Faktor!


Die Argumente der „Gegenseite“ sind mir natürlich auch bekannt.
Als wichtiger Punkt wird immer wieder vorgebracht, dass zeitgleich mit der Abschaffung der Wehrpflicht auch der Zivildienst entfällt, und somit ein Heer an kostenlosen Hilfskräften (fast 100.000!).
Unternehmen, die sich über Jahre und Jahrzehnte auf Zivi’s stützen konnten (z.B. Krankenhäuser, soziale und Pflegeberufe) sind plötzlich gezwungen stattdessen reguläre Arbeitskräfte einzustellen, mit allen damit verbundenen Kostenfaktoren.


Gut so!
Schlimm genug, dass es solange möglich war, mit billigen Mitarbeitern Lücken zu stopfen und Arbeitsleistungen abzurechnen, die man selbst fast geschenkt bekam.
Eine Möglichkeit, die sich nebenbei bemerkt, klassische klein- und mittelständische Betriebe nicht zu Nutze machen konnten. Doch ab sofort müssen auch die bisherigen Nutznießer Stellen neu besetzen und gute Angestellte eben so gut bezahlen.


Fachkräftemangel ist sicherlich ein Problem, aber Lösungsmöglichkeiten dazu existieren.
Der Wegfall von Zivildienstleistenden kam immerhin nicht über Nacht, und vorausschauend denkende Unternehmen konnten die Zeit nutzen, um Ihr bestehendes und zukünftiges Personal zu schulen. Firmen die dies noch nicht getan haben, sollten sich über die Möglichkeiten verschiedenster Förderprogramme informieren und auf dem Arbeitsmarkt nach Personen suchen, die sich gezielt für die Anforderungen des späteren Arbeitsplatzes qualifizieren lassen.


Notstand an Pflegekräften gab es bereits vor der Entscheidung zur Umgestaltung der Bundeswehr.
Für eine Übergangszeit hat sich dieses Problem sicher verschlimmert, aber so hoffe ich, auch dafür gesorgt, dass man sich der Schwierigkeiten bewusster wird. Bisher wurde noch nicht genug getan, um den teils katastrophalen Versorgungsengpässen entgegenzuwirken.


Nur wenn wirklich alle Beteiligten, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und staatliche Stellen an einem Strang ziehen, werden wir auch in Zukunft hilfsbedürftigen und älteren Menschen die Pflege angedeihen lassen können, die sie verdienen.


Junge Männer, ab nun „befreit“ vom Dienst am Staate, bietet sich die Gelegenheit, selbstständig nach Bildungsangeboten zu schauen und Studium oder Berufskarriere ohne „Breakgefahr“ zu gestalten.
Der Berufseinstieg erfolgt früher und kann helfen jene Übergangszeit zu stabilisieren.


Und vielleicht fließen ja eingesparte Gelder des Verteidigungsetats zumindest zum Teil in das Resort Schule und Bildung.  Wenn ja, haben wir alle von den Veränderungen profitiert.


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