Wege zur Bildung – China, ein Arbeitsbericht – Teil 4

20. Dezember 2011, 07:44 Uhr,

China hat nicht nur am meisten Menschen, sondern auch am meisten Arbeitskräfte weltweit. Doch wie wird dort gearbeitet, was macht man anders als in Deutschland? China, ein Arbeitsbericht, Teil 4.


Wege zur Bildung – China, ein Arbeitsbericht – Teil 4

Im abschließenden und vierten Teil begleiten wir Hr.Hobe noch einmal nach Nordchina. 

Neunzehnter Einsatztag: 04. Jun 2011

Noch eine Woche, doch nur drei Arbeitstage verbleiben bis zur Abreise am Freitag. Am Montag haben alle Chinesen frei aus Anlass des uralten Kulturheroen Qu Yuan (chin. 屈原) einem Dichter (ca. 340 v. Chr. – 278 v. Chr.) aus der Zeit der Streitenden Reiche. Ich werde dann den deutschen Teil des Berichts für das Unternehmen ausarbeiten, und der Dolmetscher fügt anschließend die chinesische Übersetzung hinzu. Hoffentlich lesen es die Adressaten auch.

Als meine Physiotherapeutin von der bevorstehenden Reise ins Land der Mitte erfuhr, schwärmte sie von der berühmten Chinesischen Medizin. In ihrem Vorraum bestätigte eine Reihe von Zertifikaten die Teilnahme an diversen Kursen für ganzheitliche Gesundheitsfürsorge. Leider konnte ich Ihren Wunsch nach aktuellen Beispielen aus dem chinesischen Alltag nicht erfüllen. Hinweisen zur medizinischen Praxis, derer ich gewahr wurde, betrafen Werbung für medizinische Praxis und Medizintechnik nach westlichem Standard in chinesischen Einrichtungen. Zum Glück für mich musste ich keinen der Zahnärzte, die ihre Praxen in der Erdgeschosszone der staubigen Straßen eingerichtet hatten, aufsuchen.

Gestern Abend aßen wir im nordkoreanischen Restaurant. Es war ein kurzweiliges Essen mit süßen Reiskuchen (warm) – eingelegtem Chinakohl (kalt) – Rührei mit Spinat(?) – Geschnetzeltem mit Gemüse – gebratenem Fisch (ehemals warm) – hauchdünnem Tang (kalt) – Barbecue-Fleisch mit Knochen. Dies alles kreiste auf dem Karussell zum abwechselnden Verzehr (natürlich mit Stäbchen). Abschließend folgte eine kleine Gemüsesuppe mit Fleisch (heiß). Dazu Reis-Bier in 0,1cl-Gläsern – auch damit kann man eine Flasche leeren. Extra für mich servierte man eine große Schüssel kalter saurer Nudeln – auch diese mit Stäbchen zu essen. Die Auswahl der Speisefolge hatte eine ganze Weile in Anspruch genommen und die hübsche Kellnerin in der typisch zartrosa Nationaltracht geduldig am Tisch ausgeharrt. Während des geschmackvollen Essens gaben die zwei nordkoreanischen Kellnerinnen noch eine nette Gesangseinlage.

Dreiundzwanzigster Einsatztag: 08. Jun 2011

Morgen halte ich den abschließenden fünften Vortrag. Der Beginn ist wegen der hoffentlich einsetzenden Diskussion schon auf 9 Uhr festgelegt. Auch die Chinesen arbeiten nicht gern in ihrer um halb zwölf beginnenden einstündigen Mittagspause.

Die Vorträge liefen gewöhnlich als ‚Einbahnstraße‘ ab. Am Schluss erhielt der Vortragende von allen Teilnehmern, den aufmerksamen und den ‚nachdenklichen‘, den üblichen Applaus. Nur nach dem letzten Vortrag konnte sich ein Teilnehmer eine Frage nicht verkneifen: „Wer gewährleistet, dass gearbeitet wird, wenn die Leiter nicht anwesend sind?“ Für die Risikoanalyse eines Prozesses hatte ich auf die Empfehlung verwiesen, wonach beim notwendigerweise freimütigen und kritischen Gedankenaustausch der Spezialisten während des Brainstormings es nicht förderlich ist, wenn auch die Manager der Bereiche anwesend sind. Ich bin mir nicht sicher ob meine Antwort, dass sich das Ergebnis in einer sinkenden Fehlerrate zeigen muss, überzeugt hat, aber es verdeutlicht die chinesische Mentalität des vordergründigen Aktionismus.

Mit dem Dolmetscher bin ich nun allein, die Assistentin Lu und Dimitri, ein Russe, der vom Pekinger Büro aus ins Stammwerk ausgeliehen wurde und der sich gern zum Essen zu uns gesellt hatte, müssen wieder in Beijing erscheinen. „Intrigue, I’ve nothing to do there“; meinte Dimitri, der gern noch mit mir englisch über den Sozialismus geplaudert hätte.

Die Kontaktaufnahme mit der TÜV-SÜD-Niederlassung in Hongkong hat geklappt und ich bin sicher, dass es zu einer Zusammenarbeit kommt damit ich hier nicht fortwährend erscheinen muss. Der Qualitätsleiter scheint sich noch nicht sicher zu sein, ob eine solche Zusammenarbeit mit einem chinesischen Unternehmen nützlich ist. Jedenfalls musste ich versprechen im September für wenigstens 14 Tage  wieder zu kommen. Dann ist auch der Besuch einer der 23 Montagestellen im großen Reich der Mitte einzuplanen. Heute habe ich ihn mit meinen Vorschlägen konfrontiert und er war offensichtlich sehr überrascht, aber scheinbar auch einverstanden seine Tätigkeit in einer Stabsstelle fortzuführen und die Personalverantwortung für 60 Mitarbeiter, die verstreut im Unternehmen kontrollieren, abzugeben. Mal sehen, was daraus wird, wenn der Generalmanager wieder im Hause ist; dieser hatte jedenfalls ‚deutsche Verhältnisse‘ gewollt. Es gäbe eine Menge zu tun.

Am Sonnabend nach dem Einkaufsbummel, besuchten wir den Volkspark in den nördlichen Hügeln und das Meteoritenmuseums. „1976 beendete ein großer Meteoriten-Schwarm die Kulturrevolution“ meinte mit ironischem Schmunzeln mein Dolmetscher. Im Volkspark fand das jährliche Fest der koreanischen Minderheit, die hier seit vielen Generationen lebt, statt. Ohne diesen Ausflug wäre ich vielleicht gar nicht in das recht ansehnliche Zentrum der Stadt gekommen. Auffällig sind die zahlreichen Baustellen, auf denen riesige Wohntürme mit Eigentumswohnungen für ‚mittlere Angestellte‘ errichtet werden.

Ich überstand glücklich die Shoppingtour. Im zentralen modern eingerichteten Kaufhaus boten mehrere Stände Jadeschmuck an; überall die Kollektionen mit 50%-igen Rabatt. Meine Begleiter handelten dann noch ein paar Prozente mehr heraus und so habe ich nun zwei schöne Jadeanhänger und noch ein paar Yuan übrig. Zu Mittag aßen wir in einem der zahlreichen Restaurants, natürlich mit Stäbchen. Mittlerweile klappt es recht gut und satt bin ich auch geworden.

Am Sonntag wanderte ich allein über die steilen Hügel hinter dem Hotel und war nach mehreren Stunden ‚ganz schön breit‘. Und wie jeden Wochenend-Tag galt es erst ein paar Stunden am Computer zu verbringen und abends mit dem Dolmetscher die Vorträge, das Protokoll und den Abschlussbericht übersetzen. Aber jetzt sehe ich Land – Deutschland vor mir. Es wird Zeit, dass ich wieder deutsche Küche genießen kann und das ‚European Beer‘, wie der englische Hotelgast aus Manchester, der im Fahrstuhl auf seine zwei Flaschen 3%-iges Reis-Bier zeigte, bissig bemerkte. 

Sechsundzwanzigster Einsatztag: 11. Jun 2011

Der Flug zurück führt über die gleichen Etappen mit nur zwölf anrechenbaren Flugstunden. Doch weil die Sonne unseren Flug begleitete werden es wieder achtzehn Stunden im Flugzeugsitz werden und es sollten noch einige dazu kommen.

Drei Stunden verbringen wir in der startbereiten Maschine – eine nicht seltene Situation auf dem übervollen Pekinger Flughafen, wie ich später erfuhr. Wer protestiert schon, wenn ‚wegen stürmischen Wetters‘ der Start aufgeschoben wird. Die daraufhin verspätete Ankunft zwang mich zu einem Spurt in den Frankfurter Passagierhallen. Doch den letzten Flieger nach Leipzig an diesem Tag erreichte ich glücklich und war noch am selben Tag wieder daheim.


Über den Autor