Wege zur Bildung – China, ein Arbeitsbericht – Teil 1

28. Oktober 2011, 10:35 Uhr,

China hat nicht nur am meisten Menschen, sondern auch am meisten Arbeitskräfte weltweit. Doch wie wird dort gearbeitet, was macht man anders als in Deutschland. China, ein Arbeitsbericht, Teil 1.


Wege zur Bildung – China, ein Arbeitsbericht – Teil 1

China ist für die meisten von uns nicht mehr als ein Wort, ein –ziemlich großer- Fleck auf dem Globus, der Hersteller-Aufdruck auf vielen Produkten des täglichen Lebens und Leckeres im Lieblingsrestaurant um die Ecke. Nur wenige waren bereits im Land der Mitte und wenn, dann als Tourist. Doch was erlebt man, wenn man beruflich nach China fährt und als Berater jeden Tag mit den Einheimischen lebt und arbeitet?

Herr Hobe, Dozent und SAP-Experte im Ruhestand sendete uns seinen Bericht, den wir Ihnen in 4 Teilen, ab heute jede Woche, präsentieren möchten.

Im Februar 2011

Schon länger hegte ich einen Vorsatz und Ende 2010 entschloss ich mich, es nicht weiter hinauszuschieben. Beim SENIOR EXPERTEN SERVICE (SES), einer Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH – Non-profit Corporation (SES) in Bonn erklärte ich die Bereitschaft zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit, hoffend, dass meine langjährigen Erfahrungen im Qualitätsmanagement irgendwo benötigt würden. Überraschend Bereits im Januar darauf klingelte das Telefon, und ich wurde um mein Einverständnis zu einem Einsatz in China gebeten. Wenig später erhielt ich dann konkrete Informationen zu meinem ersten Auftrag.

Im industriell geprägten Nordosten Chinas bat ein Unternehmen das Industrieanlagen errichtete, um Unterstützung bei der Optimierung seines QM-Systems. Nach ihrer Selbsteinschätzung sei eine Reduzierung der Fehlerhäufigkeit dringend geboten. Allerdings reduzierte ich die erbetene Einsatzzeit von einem halben Jahr auf vier Wochen, denn in Anbetracht der völlig unbekannten Bedingungen vor Ort wollte ich mich lediglich auf einen überschaubaren Auftragsdauer einlassen.

„Warum helfen wir den Chinesen, zu uns aufzuschließen?“ – Diese Frage wurde mir mehrfach gestellt. Ich glaube, dass es heute darauf ankommt, den Fortschritt in allen Ländern zu sichern. Europa kann den chinesischen Markt niemals versorgen, wir müssen darauf hinwirken, dass es den Chinesen gelingt, sich mit allem Wesentlichen selbst auszustatten. Bald werden 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben, und diese werden nur auf friedlichem Wege miteinander auskommen können. Existente Rohstoffe müssen für alle reichen, die verfügbare Energie muss rationeller eingesetzt werden, und die Produkte, die unser Leben angenehmen machen, müssen zukünftig mit einem geringeren Arbeitskrafteinsatz produziert werden, damit die gewaltigen Aufgaben für den Erhalt unserer gemeinsamen Umwelt bewältigt werden können.

Letztlich ist es für mich aber auch ein Abenteuer, mit Menschen zusammen zu wirken, die in einer so anderen Kultur leben und arbeiten. Es ist interessant, wie trotz der unterschiedlichen Denkweisen ein gemeinsames Verständnis beim Verbessern moderner Produktionsweise gefunden werden kann, und spannend auch, ob und wie ein west-östlicher Dialog funktioniert.

Im April 2011

Die Eindrücke meiner dreiwöchigen geführten Touristenreise in China im Jahre 2006 reichten mir nicht aus für eine erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe. Deshalb nutzte ich die günstigen Bedingungen in Leipzig zur Vorbereitung auf den Einsatz, besuchte ein Seminar des Konfuzius Instituts der Universität und las in der Deutschen Nationalbibliothek die zweisprachige Ausgabe „Die vier konfuzianischen Bücher“. Beides, wie ich später feststellen konnte, mit erheblichem Gewinn für die Akzeptanz meiner Argumente. Die Konfuzius-Renaissance, die man in China beobachten kann, unterstützt mein Vorhaben. Mit den Sprüchen des ‚Meister Kung‘ hoffte ich, eine kritische Haltung zu den Forderungen der internationalen Qualitätsmanagement-Norm und das Einfordern des eigenen Standpunktes beim Umsetzen im Unternehmen in Gang zu setzen, ohne ‚das Gesicht zu verlieren‘. Jedenfalls werden die Präsentationen des kürzlich in Berlin errichteten Konfuzius-Denkmals und die Weisheiten des ‚alten Meisters‘ zum Umgang mit Fehlern und deren Vermeidung, einem wesentlichen Kern moderner Betriebsführung, meine Vorträge auflockern.

Mit den Hinweisen zur chinesischen Kultur und Denkweise sowie den erstaunlich modern anmutenden Konfuzius-Sprüchen war ich hoffentlich gut gerüstet für einen gewohnten Auftrag in ungewohnter Umgebung.

Erster Einsatztag: 16. – 17. Mai 2011

Die achtzehn nächtlichen Flugstunden mit China Air von Leipzig über Frankfurt, Peking nach Changchun habe ich, etwas übermüdet in der Business Class überstanden. Zum Empfang am Flughafen waren die englischsprechende Dolmetscherin und dem Qualitätsleiter des Unternehmens eingetroffen. Das Erstaunen war groß, als ich auf ihre Zusage und die Notwendigkeit eines deutschsprechenden Dolmetschers hinwies. Man wolle bald einen herbeischaffen – und so klappte es dann auch. Dies war die erste Lektion in der ‚chinesischen Art‘ der Vorbereitung und Problemlösung.

Auf der Fahrt vom Flughafen und später beim Lunch verständigen wir uns mit einigem Holpern ganz gut. Die große Vorstellung soll dann später mit dem richtigen Dolmetscher geschehen. Die Werksbesichtigung morgen wird noch auf Englisch ablaufen.

Mein Hotel in der Stadt, im Hause der Handelskammer, ist für chinesische Dienstreisende gedacht und dafür sicher angemessen. Das Zimmer hat den für mich wichtigen Internetanschluss, nur so kann ich mit der Heimat ohne Rücksicht auf den Zeitunterschied Kontakt halten. Beim Abholen am Morgen dann die Überraschung: „Packen Sie bitte wieder zusammen, wir bringen Sie in einem anderen Hotel unter“, – die zweite Lektion in ad hoc Entscheidungen. Mein neues Hotel am Stadtrand ist deutlich besser. Es liegt zwischen Fluss und einem bewaldeten Hügel, allerdings neben dem Verschiebebahnhof für das petrochemische Kombinat, dem größten Unternehmen der Industriestadt. Das Fenster wird also über Nacht geschlossen bleiben müssen. Das Hotel besitzt den wichtigen Vorzug, neben der landestypischen Küche auch ‚europäisches Frühstück‘ und Pizza anzubieten.

 

to be continued…


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